2. Bundesliga
50 Jahre 2. Bundesliga - das bedeutet Typen, Dramen und Rekorde! Zum 50. Geburtstag blicken wir mit ausführlich auf die Historie der 2. Bundesliga...
Knapp elf Jahre, nachdem am 28. Juli 1962 im Goldsaal der Dortmunder Westfalenhalle die Gründung der Bundesliga beschlossen wurde, gab es – diesmal in Frankfurt – die nächste weitreichende Entscheidung des DFB-Bundestags. Am 30. Juni 1973 einigten sich die Clubvertreter auf die Einführung einer zweigleisigen 2. Bundesliga zur Saison 1974/75. Auch aufgrund der positiven Erfahrungen der ersten zehn Jahre der Bundesliga verliefen die Debatten weniger hitzig als noch Anfang der sechziger Jahre.
Die Kluft zwischen der fünfgleisigen Regionalliga und der Bundesliga war einfach zu groß. Bundesliga-Absteiger waren nicht selten in ihrer Existenz bedroht. Die 2. Bundesliga sollte den Übergang zwischen Profi- und Amateurfußball sanfter gestalten.
Den ersten Krimi um die Zweitligazugehörigkeit gab es allerdings schon, bevor am 2. August 1974 die erste Partie der neuen Liga angepfiffen wurde. Wie bei der Gründung der Bundesliga waren auch für die Bestimmung der ersten 40 Vereine der 2. Bundesliga (jeweils 20 in den Staffeln Nord und Süd) verschiedene Kriterien ausschlaggebend. Neben den sportlichen Erfolgen der letzten fünf Jahre spielten auch Auflagen technischer und wirtschaftlicher Art eine Rolle.
Sportlich wäre der SV Alsenborn, bei dem die Lauterer Legende und WM-Kapitän von 1954, Fritz Walter, die Geschicke leitete, ohne Zweifel qualifiziert gewesen. Die Lizenz wurde dann aber wegen Unzulänglichkeiten der Platzanlage und wirtschaftlicher Unsicherheit verweigert. Der 1. FC Saarbrücken erhielt dafür im Süden den Zuschlag. Das gerichtliche Prozedere zog sich bis zum 20. Juli 1974 hin – also bis knapp zwei Wochen vor dem Ligastart.
Dass ausgerechnet dann der 1. FC Saarbrücken am Abend des 2. August 1974 – einem Freitag – die erste Saison der 2. Bundesliga mit einem Heimspiel gegen den SV Darmstadt 98 eröffnete, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Der 27-Jährige Nikolaus Semlitsch, der zuvor auch schon drei Saisons mit Kickers Offenbach in der Bundesliga gespielt hatte, trug sich nach 18 Minuten als erster Torschütze der Zweitligahistorie in die Geschichtsbücher ein. Das 1:0 war auch gleichzeitig der Endstand.
Bei den Saarbrückern führte im Mittelfeld ein 21-Jähriger Regie, der in den ersten beiden Spielzeiten der 2. Bundesliga zu den auffälligsten Akteuren zählte und sich so für höhere Aufgaben empfahl. Die Rede ist von Felix Magath, der Saarbrücken 1976 erst mit 17 Treffern in die Bundesliga führte und dann zum Hamburger SV wechselte. Mit den Hamburgern wurde er drei Mal Deutscher Meister, gewann den Pokal der Pokalsieger und schoss im Finale des Europapokals der Landesmeister – dem Vorgängerwettbewerb der Champions League – 1983 gegen Juventus Turin das goldene Tor. 1980 wurde der dynamische Mittelfeldspieler zudem mit der deutschen Nationalmannschaft Europameister. Magath gehört zu einer ganzen Reihe Legenden, die in der neugeschaffenen 2. Bundesliga auf sich aufmerksam machen konnten.
Neben Magath war in der erfolgreichsten HSV-Ära der bullige Horst Hrubesch ein absoluter Schlüsselspieler. Der Inbegriff eines Kopfballmonsters musste mit Rot-Weiss Essen 1977 den Gang in die 2. Bundesliga Nord antreten, die er dann mit 41 Treffern in 35 Einsätzen fachgerecht zerlegte. Bis heute teilt er sich damit die Bestmarke für die erfolgreichste Saison eines Torjägers im deutschen Profifußball mit Robert Lewandowski – wobei die 2. Bundesliga damals natürlich vier Spieltage mehr hatte als die Bundesliga, in der der polnische Weltklassestürmer die Bestmarke hält. Den Rekord für die meisten Tore in einem Zweitligaspiel hält ein Ex-Stürmer, der in der Folge vor allem als Trainer von sich reden machte: Ottmar Hitzfeld knipste im Mai 1977 beim 8:0-Sieg des VfB Stuttgart gegen Regensburg gleich sechs Mal.
Hrubesch folgte Magath zum HSV und gewann neben den Clubtiteln 1980 ebenfalls die Europameisterschaft. Im Finale war Hrubesch mit einem Doppelpack der Matchwinner beim 2:1 gegen Belgien. Legendär das Zitat von Karl-Heinz Rummenigge, der beim Stande von 1:1 einem Fotografen zurief: "Stell die Linse scharf auf den Hrubesch, gleich knallt’s." Dann zirkelte Rummenigge den Ball auf den Kopf von Hrubesch – und es knallte wirklich.
Auch der nächste große Titel der deutschen Nationalmannschaft hatte seine Wurzeln in der 2. Bundesliga. Rudi Völler kickte erst drei Jahre in der 2. Bundesliga für Kickers Offenbach, stieg dann mit 1860 München aus der Bundesliga ab, wo er die Löwen 1981/82 mit 37 Saisontreffern – bis heute die beste Ausbeute der eingleisigen 2. Bundesliga – fast wieder hingeschossen hätte. Für Völler persönlich ging es aber in die Bundesliga, wo er beim SV Werder Bremen Tore am Fließband erzielte – allerdings noch keine Titel gewann. Das gelang ihm dafür mit der Nationalmannschaft, mit der er 1990 Weltmeister wurde. Sein Sturmpartner Jürgen Klinsmann verdiente sich ebenso wie die Mitweltmeister Olaf Thon und Frank Mill seine ersten Sporen in der 2. Bundesliga. Im WM-Finale gegen Argentinien wurde Völler im Strafraum zu Fall gebracht – den anschließenden Elfmeter verwandelte der leider viel zu früh verstorbene Andreas Brehme flach links unten.
Der Siegtorschütze von Rom debütierte als 19-Jähriger für den 1. FC Saarbrücken in der 2. Bundesliga und etablierte sich in der Saison 1980/81 sofort als Stammspieler. Nach nur einer Spielzeit wechselte er zum 1. FC Kaiserslautern – und der Rest ist Geschichte. Brehme war auch Teil jener Lauterer Mannschaft, die 1996/97 nicht nur den Abstieg aus der Bundesliga 1996 sofort wieder reparierte, sondern auch 1997/98 als bislang einziger Aufsteiger Deutscher Meister wurde. Und auch schon in der Aufstiegssaison schrieben die Pfälzer am 34. Spieltag Geschichte: Kaiserslautern siegte 7:6 gegen Meppen, in keinem anderen der über 44.000 Spiele im deutschen Profifußball fielen jemals so viele Treffer!
Trainer der legendären Lauterer war Otto Rehhagel, der in der Saison 1980/81 nach einigen Jahren als "Feuerwehrmann" den SV Werder Bremen in dessen erster Zweitligasaison an den letzten zwölf Spieltagen übernahm. Rehhagel führte den Club von der Weser zurück in die Bundesliga und formte die Grün-Weißen zu einem Spitzenteam. Rehhagel legte zudem den Grundstein für einen Rekord, den die Werderaner bis heute halten. In den 76 Zweitligaspielen der Clubhistorie holten die Hanseaten umgerechnet auf die Drei-Punkte-Regel 161 Zähler und damit 2,12 pro Spiel. Auf dem zweiten Rang in dieser Wertung folgt der VfB Stuttgart mit 1,81 Punkten pro Spiel.
Auf dem ersten Platz der Ewigen Tabelle rangiert hingegen die SpVgg Greuther Fürth, die nicht nur die meisten Partien absolvierte (1194 mit Abschluss der Spielzeit 2023/24), sondern auch die meisten Punkte sammelte. 1758 (umgerechnet auf Drei-Punkte-Regel) stehen für das Kleeblatt zu Buche. Der FC St. Pauli und Hannover 96 folgen auf den Plätzen 2 und 3. Vierter ist die Alemannia aus Aachen, die zwar 2011/12 letztmalig zweitklassig agierte, aber trotzdem einen wichtigen Platz in der Historie der 2. Bundesliga einnimmt.
Zum einen bestritt Zweitliga-Rekordspieler Willi Landgraf 188 seiner insgesamt 508 Zweitligaeinsätze für Aachen und zum anderen ist die Alemannia der bislang letzte von insgesamt sechs Zweitligisten, der im Europapokal an den Start ging. Als unterlegener Pokalfinalist nahmen die Rheinländer 2004/05 am UEFA-Cup teil und schafften es bis ins Sechzehntelfinale. Die fünf Vorgänger waren nie über die 2. Runde hinausgekommen - auch Hannover 96 nicht. Die Niedersachsen sorgten aber für ein anderes Novum und konnten 1992 als erster und bislang einziger Zweitligist den DFB-Pokal gewinnen (Offenbach holte den Titel 1970 als Regionalligist).
Rekordspieler Landgraf sammelte seine Einsätze für fünf verschiedene Clubs - Rekordtorjäger Simon Terodde (177 Tore) stand sogar für insgesamt sieben Teams in der 2. Bundesliga auf dem Feld - wobei er für den MSV als ganz junger Stürmer nur neun Minuten Zweitligaluft schnuppern durfte. Dies war auch die einzige Station, in der er in der 2. Bundesliga nicht ins Schwarze traf. Anschließend war er für Union Berlin, Bochum, Stuttgart, Köln, Hamburg und Schalke immer erfolgreich. In sieben seiner zehn Zweitligaspielzeiten seit 2011 traf Terodde immer zweistellig und wurde vier Mal Torschützenkönig. Drei Mal schoss er sein Team als Zweitligameister zum Aufstieg.
Genau diesen konnte Friedhelm Funkel gleich sechs Mal feiern - zwei Mal mit Uerdingen (1992 und 1994), je einmal mit Duisburg (1996), Köln (2003), Frankfurt (2005) und Düsseldorf (2018). Ein unerreichter Wert! Den Clubrekord von acht Aufsteigen teilen sich der 1. FC Nürnberg und Arminia Bielefeld, wobei der Club jeweils direkt aufstieg, während die Arminia ein Mal den Umweg über die Relegation gehen musste. Dafür feierten die Ostwestfalen den höchsten Sieg der Zweitliga-Geschichte und schoss Arminia Hannover im Mai 1980 mit 11:0 ab.
Ein Kuriosum der Zweitligageschichte ist, dass Hertha BSC zwar 1980/81 den Rekord für die meisten Siege (31) und Tore (123) aufstellte, aber dennoch den Aufstieg in die Bundesliga verpasste. Im Zeitalter der Zwei-Punkte-Regel brachten es im letzten Jahr der Zweigleisigkeit der SV Werder Bremen und Eintracht Braunschweig im Norden auf mehr Punkte - und die "Alte Dame" blieb zunächst zweitklassig.
Zur Spielzeit 1981/82 wurde die Professionalisierung der 2. Bundesliga weiter vorangetrieben und die Nord- und Südstaffel mit 42 Teams (22 im Norden und 20 im Süden in der letzten Spielzeit) zu einer eingleisigen Liga mit 20 Teams zusammengefasst - so blieb es auch bis zur Wiedervereinigung 1990, die den Fußball vor eine organisatorische Herausforderung stellte. 1991/92 wurde die 2. Bundesliga zunächst in eine Nord- und Südstaffel mit je zwölf Teams aufgeteilt, die anschließend in einer Auf- und Abstiegsrunde zusammengefasst wurden. 1992/93 wurde dann wieder eingleisig mit 24 Teams, 93/94 mit 20 und seit der Saison 1994/95 dann in der heutigen Form mit 18 Clubs gespielt.
So wechselhaft das Format in den ersten gut 20 Jahren der 2. Bundesliga war - so eindeutig nach oben entwickelte sich der Zuschauerzuspruch und das Medieninteresse. In der Spielzeit 2016/17 knackte die 2. Bundesliga erstmals die Marke von sechs Millionen Stadionbesuchern - was einem Schnitt von über 20.000 Fans pro Partie entspricht - und ist eine der zuschauerstärksten Ligen der Welt. Und die fanreichste zweite Liga im internationalen Vergleich sowieso.
Aber es sind nicht nur die harten Fakten, die die fünf Jahrzehnte 2. Bundesliga zu einem herausragenden Erfolg machen, sondern auch die unzähligen einzigartigen Geschichten. So sorgte Jean Löring, der legendäre Vereinspräsident von Fortuna Köln, für die vermutlich einzige Halbzeitentlassung des Weltfußballs. Beim Heimspiel gegen Waldhof Mannheim im Dezember 1999 erschien der Mäzen in der Pause in der Kabine und teilte dem verdutzten Coach Toni Schumacher in wohl nicht ganz blumigen Worten seine Demission mit.
Ein unvergessener Charakterkopf der 2. Bundesliga war auch der eisenharte Verteidiger Walter Frosch, der nicht ganz unbeteiligt an der Einführung der Gelbsperren in Deutschland gewesen sein soll. Die oft kursierende Zahl von 27 Verwarnungen in der Spielzeit 1976/77 ist zwar nicht korrekt, aber 18 oder 19 (man findet unterschiedliche Angaben zur genauen Anzahl) sind es gewesen. Die Mühlen der DFB-Justiz mahlten damals noch ein wenig langsamer und erst zur Saison 1979/80 mussten Spieler zunächst nach jeder vierten, später nach jeder fünften Gelben Karte ein Spiel aussetzen.
Legendenstatus erdribbelte sich auch der "Weiße Brasilianer" Ansgar Brinkmann, der seine 315 Zweitliga-Spiele gleich für neun verschiedene Vereine absolvierte. Bis heute ist der Filigrantechniker damit der Rekordhalter der 2. Bundesliga. Wenig verwunderlich ist es da, dass Brinkmann zwischenzeitlich auch von Benno Möhlmann trainiert wurde. Der frühere Mittelfeldspieler betreute fünf verschiedene Clubs in der 2. Bundesliga und saß bei 520 Zweitliga-Partien auf der Bank – Rekord! Gemeinsam konnten Möhlmann und Brinkmann 2002 mit Arminia Bielefeld den Aufstieg feiern – denn natürlich bleibt das Ziel der meisten Clubs und auch der Spieler, die 2. Bundesliga wieder zu verlassen – und zwar in die richtige Richtung.
Diese Konstellation sorgt für eine immer neue Zusammensetzung der Liga und macht sie extrem reizvoll. 128 verschiedene Clubs gaben in den 50 Jahren seit der Gründung ihre Visitenkarte in der 2. Bundesliga ab. Eine Etage höher sind es ab der kommenden Saison dank Holstein Kiel 58 unterschiedliche Teams. Die "Störche" sind dort in guter Gesellschaft, denn nur zwei aller bisherigen Bundesligisten traten in ihrer Clubgeschichte nie in der 2. Bundesliga an. Tasmania Berlin – Schlusslicht der ewigen Bundesliga-Tabelle – wurde vor der Gründung der 2. Bundesliga aufgelöst und natürlich der Rekordmeister aus München. Der FC Bayern stieg 1965 aus der Regionalliga Süd in die Bundesliga auf und ist seitdem durchgängig erstklassig.
Die anderen 56 Teams hatten ihren Anteil an fünf Jahrzehnten 2. Bundesliga und halfen mit, eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie die zehn Jahre ältere Bundesliga zu schreiben. Mit sportlichem Drama, gefüllten Stadien und unvergesslichen Geschichten. Herzlichen Glückwunsch, liebe 2. Bundesliga! Und damit auf in die 51. Saison...