St. Pauli: Unaufhaltsam Richtung Bundesliga

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Bis vor kurzem hatten die beiden deutschen Tabellenführer etwas gemein: Sie waren in ihren Ligen unbesiegt. Anders als Bayer 04 Leverkusen verlor der FC St. Pauli diesen Status am 21. Spieltag beim 1. FC Magdeburg. Doch anstatt sich davon zurückwerfen zu lassen, sammelten die Kiezkicker ihre Käfte und wollen eine neue Serie starten. Auf einen 1:0-Arbeitssieg gegen die formstarken Braunschweiger folgte der furiose 4:3-Erfolg im Spitzenspiel gegen Holstein Kiel.

Durch den Sieg im Sechs-Punkte-Spiel gegen den Tabellenzweiten konnten sich die "Boys in Brown" an der Spitze absetzen und haben nun sechs Punkte sowie ein deutlich stärkeres Torverhältnis Vorsprung auf den KSV. Der Traum vom Wiederaufstieg ins Oberhaus nach 13 Jahren in der 2. Bundesliga rückt näher. "Natürlich fiebern wir diesen Ziel entgegen", erzählt FCSP-Kapitän Jackson Irvine im Interview mit bundesliga.de.

Besonders kampfeslustig macht die Hanseaten, dass der Stadtrivale vom Hamburger SV ebenfalls deutlich hinter ihnen liegt. Der HSV rangiert mit sieben Punkten Abstand auf Rang drei der 2. Bundesliga. Im Hamburg-internen Duell wollen die Kiezkicker den Aufstieg erst recht nicht hergeben. Die aktuelle Form des FC St. Pauli deutet aber, trotz gebrochener Siegesserie vor zwei Wochen, nicht darauf hin, dass Irvines Truppe einbrechen könnte.

Seit einem Jahr reitet man auf St. Pauli eine Erfolgswelle. Und die war gar nicht abzusehen: Nach der Hinrunde der vergangenen Saison lagen die Kiezkicker mit nur drei Siegen und insgesamt 17 Punkten auf Platz 15. Dann übernahm der junge Trainer Fabian Hürzeler am 22. Dezember 2022 das Team und leitete die erfolgreiche Wende ein: Die ersten zehn Spiele in der 2. Bundesliga unter dem 30 Jahre alten Coach, der im texanischen Houston geboren wurde, gewann der FCSP allesamt! 

Es war die längste Siegesserie in der Vereinsgeschichte des FC St. Pauli in der 2. Bundesliga. Von Platz 15 ging es innerhalb von vier Monaten hoch bis auf Rang vier! Im April vergangenen Jahres verlor man dann jedoch mit zwei Niederlagen, gegen Braunschweig und den Lokalrivalen HSV, ein wenig den Anschluss an die Aufstiegsplätze und wurde am Ende Fünfter, wie schon in der Saison davor.

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Hürzeler, der als detailversessener Taktiker gilt und mit seinen gut ausgearbeiteten Matchplänen seine Spieler immer hinter sich weiß, startete nach den beiden verlorenen Spielen direkt die nächste Serie: 27 Pflichtspiele blieb der FCSP wettbewerbs- und saisonübergreifend in Folge ohne Niederlage. Erst am 30. Januar dieses Jahres setzte es eine 5:6-Niederlage gegen Düsseldorf im Elfmeterschießen des Pokal-Viertelfinals.

Das bittere Pokal-Aus verarbeitete der FCSP gut, schlug Verfolger SpVgg Greuther Fürth mit 3:2. Und auf die erste Saisonniederlage gegen den FCM ließ man direkt wieder einen Sieg folgen. Nach samt Nachspielzeit fast 30 Minuten Unterzahl, gegen Braunschweiger, die fünf der sechs Partien vor dem Duell mit den Kiezkickern gewonnen hatten und sich so vom abgeschlagenen letzten Platz aus der Abstiegszone kämpften.

Die Zeiten, als die "Boys in Brown" nach guten Halbserien einknickten, also wie beispielsweise nach der starken Hinrunde 2021/22, scheinen vorbei. Hürzeler hat seinem Team nicht nur ein starkes Positionsspiel, sondern auch eine Menge Resilienz eingeimpft: Nur zwischen dem dritten und den fünften Spieltag in dieser Saison gab es drei Partien ohne Dreier (drei Unentschieden). Der Punkteschnitt unter dem 30 Jahre jungen Fußballlehrer liegt in dieser Saison bei 2,09 Zählern pro Spiel. Auf 34 Spieltage gerechnet wären das satte 71 Punkte. In den vergangenen sechs Jahren wäre man damit immer Meister der 2. Bundesliga geworden. In den letzten zehn Jahren hatte nur der Sport-Club Freiburg 2015/16 mehr Zähler nach 34 Partien (72) - aufgestiegen wäre St. Pauli trotzdem.

Wenn man sich Hürzelers gesamte Bilanz beim FCSP ansieht, kommen die Kiezkicker unter dem großen Trainertalent sogar auf 2,23 Punkte pro Partie. Die Brust ist breit, im Hamburger Stadtteil zieht jeder an einem Strang. "Es wäre eine große Entwicklung für den Verein. Ich habe keine Zweifel an diesem Team oder dem gesamten Umfeld. Jeder arbeitet hart, zeigt Hingabe und Entschlossen", erklärt Kapitän Irvine das Erfolgsrezept der "Boys in Brown".

Doch trotz des Sieges im Spitzenspiel gibt es auch Dinge, die Coach Fabian Hürzeler besser machen will. "Beim Verteidigen fängt viel im Kopf an. Da geht es um die Bereitschaft und die Einstellung. Da haben wir in der zweiten Halbzeit einen Schritt weniger gemacht. Das war das Gegenteil zum Spiel gegen Braunschweig", erklärte der Erfolgstrainer vor dem Duell am 24. Spieltag mit dem FC Schalke 04. Gegen Braunschweig musste St. Pauli in Unterzahl kämpfen und jeder Spieler sowie jeder Fan im Stadion gab alles, um diesen Sieg zu holen.

Das soll gegen den Bundesliga-Absteiger nun besser laufen. Denn in Gelsenkirchen werden die eigenen Fans in Unterzahl sein und nicht helfen können. "Auf Schalke erwartet uns eine laute Atmosphäre. Dafür musst du bereit sein - als Spieler und als Mannschaft", fordert Hürzeler "Mut und Klarheit" von seinem Team, was ihm im zweiten Durchgang gegen Kiel fehlte.

Mit Blick auf das große Ziel Bundesliga wünscht sich der Erfolgstrainer vollen Einsatz von seinen Spielern: "In der entscheidenden Phase musst du stabil sein, Widerstände annehmen und bereit sein, den inneren Schweinehund zu überwinden. Das ist genau die Phase, in der wir gerade sind." Der Druck sei groß, denn "du kannst nicht nur gewinnen, sondern du hast auch etwas zu verlieren." Am Freitagabend (18:30 Uhr) gilt es, auf Schalke den Kampf anzunehmen und den nächsten Schritt zu gehen, um den großen Traum wahr zu machen.