2. Bundesliga
Zehn Spiele, zehn Siege: Unter dem neuen Coach Fabian Hürzeler gab es bislang nur Siege. Dank der überragenden Serie verabschiedete sich der FCSP aus dem Abstiegskampf und ist nun sogar im Rennen um den Aufstieg mit dabei.
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"Die lange Winterpause ist der richtige Moment, um die Weichen für eine erfolgreiche Rückrunde zu stellen", sagte Andreas Bornemann, der Sportchef des FC St. Pauli am 6. Dezember 2022. Und verkündete damit die Trennung von Trainer Timo Schultz, mit dem man in der Vorsaison lange Tabellenführer war und dann doch noch den Aufstieg verpasste.
Interimistisch sollte Co-Trainer Fabian Hürzeler den FCSP in den ersten Wochen nach der Freistellung des bei den Fans beliebten Schultz trainieren und auf eine harte Rückrunde vorbereiten: Nach der Hinrunde lagen die Kiezkicker auf Rang 15, nur drei von 17 Spielen wurden gewonnen und insgesamt 17 Punkte eingefahren.
Mit seinen Trainingseinheiten machte der junge Hürzeler, der vor 30 Jahren in Houston (Texas) geboren wurde, ordentlich Eindruck, schweißte die Spieler zusammen und überzeugte die Profis mit seiner Detailversessenheit und Akribie in taktischen Fragen, so dass schnell klar wurde: Hürzeler muss bleiben und dauerhaft Chef werden.
Das fand dann auch Sportchef Bornemann und beförderte den 30 Jahre alten Taktiker. Dass es unter Hürzeler aber derart steil bergauf gehen würde, hatte sich der erfahrene Kaderplaner Bornemann wohl nicht in den kühnsten Träumen ausgemalt: Seit der Anstellung Hürzelers wurden alle zehn Spiele in der 2. Bundesliga gewonnen. Zehn Siege in Serie – die längste Zweitliga-Siegesserie des FCSP in der Vereinsgeschichte.
Noch nie startete ein Coach in der 2. Bundesliga mit einer derartigen Siegesserie und noch nie startete ein Team in der Geschichte der eingleisigen 2. Bundesliga mit zehn Siegen in die Rückrunde. Die Kiezkicker machten währenddessen einen gewaltigen Sprung in der Tabelle: Nachdem sie von Platz 15 ins Kalenderjahr gestartet waren, sind sie nun Vierter. Der Rückstand auf den Relegationsplatz, auf dem sich seit diesem Wochenende der 1. FC Heidenheim befindet, beträgt nur noch vier Punkte! Die Mannschaft von Coach Frank Schmidt wurde übrigens vom FCSP-Rivalen, dem Hamburger SV, überholt, weil St. Pauli das Spitzenspiel am vergangenen Samstag mit 1:0 für sich entschied. Es war die erste Heidenheimer Heim-Niederlage seit fast einem Jahr.
Nach der Partie sprach der Flügelspieler und Winterneuzugang Oladapo Afolayan in den höchsten Tönen von Hürzeler: "Er ist sehr intelligent und ein sehr taktischer Trainer. Für mich ist er herausragend." Der detailversessene Coach habe "eine genaue Vorstellung davon, was er will, wie sein Team spielen soll. Er hat mir eine andere Seite des Fußballs gezeigt", sagte der Flügelflitzer.
Doch was hat der Trainer denn alles verändert? Er hat die defensive Struktur von St. Pauli verändert und klar verbessert: Der Gegentor-Schnitt verbesserte sich von 1,5 auf 0,3. Es werden aktuell zwar etwas mehr Torschüsse zugelassen, aber nicht mehr in den richtig gefährlichen Räumen. Parameter wie Ballbesitz, Pass- und Zweikampfquote blieben praktisch unverändert.
Aber: In der Rückrunde laufen die Spieler des FCSP im Schnitt über drei Kilometer mehr pro Spiel (120 km zu 116,8 km). Etwas mehr gesprintet wird nun auch bei den Hamburgern (211:204). Zudem agieren sie äußerst effizient vor dem gegnerischen Tor: Lag die Chancenverwertung in der Hinrunde noch bei 32 Prozent, so ist sie rapide auf 53 Prozent angestiegen. Mehr Großchancen werden sich zudem ebenfalls erspielt (1,5 zu 1,3), für einen Treffer braucht man im Schnitt nur noch acht statt zwölf Torschüsse.
Hürzeler, der sich seit vergangener Woche Mittwoch offiziell "Fußball-Lehrer" nennen darf, wurde im Nachwuchsleistungszentrum des FC Bayern München fußballerisch ausgebildet, schnürte damals mit dem jetzigen Nationalspieler Emre Can die Schuhe für die Jugendmannschaften des deutschen Rekordmeisters.
Wohin führt Hürzeler den FCSP in dieser Saison noch? Und wie lange wird die Siegesserie noch weitergehen? "Serien interessieren mich nicht", sagt der Trainer deutlich. Er denke immer nur an das nächste Spiel, nimmt sich selbst aber auch in die Pflicht und die Verantwortung. "Wenn die Mannschaft gewinnt, hat sie alles richtig gemacht. Wenn wir verlieren, habe ich etwas in der Vorbereitung falsch gemacht", sagt der Coach, der bereits im Alter von 24 Jahren ein Team coachte: Als Spielertrainer führte er den FC Pipinsried aus der fünftklassigen Bayernliga in die Regionalliga.
46 Gelbe Karten und sechs Platzverweise sammelte Hürzeler als Spielertrainer, war in den bayerischen Ligen als Hitzkopf bekannt. Dass er dabei "nicht immer gut ausgesehen" habe, gibt der Coach zu: "Dadurch bin ich zu dem gereift, der ich heute bin." Und zwar ein Serien-Täter wider Willen. Die Fans des FCSP werden sich wünschen, dass die Serie mindestens noch zwei Spiele weitergeht: Erst geht es am 28. Spieltag gegen Aufsteiger Eintracht Braunschweig, die Woche danach geht es ins Hamburger Derby und ins Volksparkstadion.
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So souverän die "Boys in Brown" derzeit auftreten, würde es nicht verwundern, wenn eventuell sogar der Zweitliga-Rekord von 14 Siegen in Serie geknackt werden würde: Diesen stellte Bayer 04 Leverkusen saisonübergreifend zwischen 1977/78 und 1978/79 auf. Dann könnte das Thema Aufstieg im Saisonendspurt ein richtig akutes beim FCSP werden. Hürzeler will davon nichts hören und nichts wissen: "Das ist keine Hürzeler-Show." Ehemalige Weggefährten wie Can würden an einer Fortsetzung dieser Show-Einlage durchaus ihren Gefallen finden. Der BVB-Star sagte: "Ich hoffe, dass er bis 2025 jedes Spiel gewinnt und dann auch die Champions League holt – mit St. Pauli."
Patrick Dirrigl