Bundesliga
Der Rahmen war perfekt für einen großen FC-Abend: Einen Tag vor dem 75. Geburtstags des Clubs und vier Tage vor dem Start des Straßenkarnevals liefen die Geißböcke im ausverkauften Rheinenergiestadion gegen Champions-League-Achtelfinalist Eintracht Frankfurt auf. Und das in eigens für diesen Anlass kreierten Jubiläumstrikots. Das Baumgart-Team sorgte mit drei Toren und drei Punkten dann für das schönste Geschenk für Fans und Verein.
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Müsste man eine Szene herauspicken, die sinnbildhaft für den Kölner Fußball unter Steffen Baumgart steht, der Treffer zum 2:0 gegen Eintracht Frankfurt wäre ein ganz heißer Kandidat. Ellyes Skhiri klärte erst tief im eigenen Sechzehner eine Flanke von Rafael Borre präzise auf Linton Maina und leitete so den Konter ein. Schon wenige Sekunden später war der Tunesier nach einem Sprint über den gesamten Platz dann genau am richtigen Fleck im gegnerischen Strafraum zu finden, um per Kopf das vorentscheidende Tor gegen die Eintracht zu erzielen. Ein Wahnsinnstreffer, in dem sich alles wiederfindet, was den FC derzeit so stark macht: Laufstärke, Einsatzwille, Mut und das richtige Näschen für Situationen.
Gegen Ende des letzten Jahres waren die Kölner aufgrund von Verletzungen und die Mehrfachbelastung durch die Conference League nicht mehr ganz so in der Lage, ihr Spiel wie gewohnt durchzuziehen. Wohl keiner Bundesliga-Mannschaft tat die Winterpause so gut wie dem 1. FC Köln. Es ist kein Zufall, dass die Geißböcke neben dem 1. FC Union Berlin, Borussia Dortmund und dem FC Bayern München das vierte noch ungeschlagene Bundesliga-Team in diesem Kalenderjahr sind.
Die Gründe für den Aufschwung hatte Steffen Baumgart schon nach dem rauschhaften 7:1-Jahresauftakt gegen Werder Bremen genannt: "Wenn bei den Jungs wieder Frische kommt, dann fällt das ein oder andere leichter", so der 51-jährige Coach damals. Wie Recht er mit dieser Einschätzung haben sollte, zeigten die nächsten Partien. Egal, ob Bayern, Leipzig oder Frankfurt – keines der Spitzenteams, gegen die der FC 2023 schon antrat, konnte die Kölner bezwingen. Auch insgesamt haben die Rheinländer in dieser Bundesliga-Saison keines der sechs Spiele gegen die vier aktuellen deutschen Champions-League-Achtelfinalisten verloren.
Angst vor großen Namen gibt es beim FC unter Baumgart nicht. Stattdessen überwiegt die Freude, sich mit Top-Spielern messen zu können. "Es hat echt Spaß gemacht, gegen so eine Qualität zu spielen und sich daran zu messen", sagte beispielsweise Abwehrkante Jeff Chabot nach seinem Duell mit Shootingstar Randal Kolo Muani, der gegen Köln im sechsten Pflichtspiel in diesem Jahr erstmals ohne Torbeteiligung blieb. Chabot ging aus diesem Duell als klarer Punktsieger hervor.
Die Leihgabe von Sampdoria Genau ist ein gutes Beispiel dafür, dass Steffen Baumgart ein Fußballlehrer im wahrsten Sinne des Wortes ist und den eigenen Anspruch an seine Arbeit voll erfüllt: "Wenn die Spieler gut sind, ist jeder gut. Man kann sich personell immer verbessern, aber meine Aufgabe ist es, mit Spielern zu arbeiten und zu versuchen, alle besser zu machen. Und nicht ständig zu lamentieren, dass ich neue brauche", hatte der FC-Coach unlängst in einem Interview mit der Rheinischen Post erklärt.
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Und besser gemacht hat er Chabot ohne Zweifel. Während der ehemalige U21-Nationalspieler in der Hinrunde teilweise mit dem Tempo der Bundesliga noch ein wenig überfordert wirkte, ist er jetzt ein Fels in der Kölner Abwehr und bereichert den Spielaufbau der Geißböcke sogar mit klugen Pässen mit seinem starken linken Fuß. Im Vergleich zur Hinrunde ist Chabot praktisch ein Neuzugang, denn auf dem Feld wirkt er fast wie ein ganz anderer Spieler.
Diese sprunghafte Entwicklung bei Spielern, die vom Alter dem Talentstatus eigentlich schon entwachsen sind, zieht sich wie ein Roter Faden durchs Baumgarts Karriere beim FC. Florian Kainz, Benno Schmitz oder der mittlerweile nach Dortmund abgewanderte Salih Özcan sind nur einige der Namen, die einem in den Sinn kommen.
Im letzten Jahr führte Baumgart den FC auf Rang 7 und damit in die Europa Conference League. Ein ähnlicher Coup ist den Geißböcken bei vier Punkten Rückstand auf den siebten Platz durchaus wieder zuzutrauen. Im Jubiläumsjahr dieses großen Clubs wäre die erneute Qualifikation für Europa natürlich die Kirsche auf der Torte. Es wäre das erste Mal seit der Saison 1989/90, dass die Kölner sich in zwei aufeinanderfolgenden Jahren für einen internationalen Wettbewerb qualifizieren würden. Die Strecke Richtung Europa ist für den FC in dieser Saison zwar noch lang, aber Ellyes Skhiri hat gegen Frankfurt schon bewiesen, dass den Kölnern unter Baumgart wirklich kein Weg zu weit ist.
Florian Reinecke