Bundesliga
Dem 1. FC Köln gelang dank einer spektakulären zweiten Halbzeit gegen die SpVgg Greuther Fürth doch noch ein Sieg und damit der beste Saisonstart in der Bundesliga seit fünf Jahren. Die "Geißböcke" beeindrucken nicht nur die eigenen Fans mit läuferisch intensivem Powerfußball, der sich auszahlt.
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Am eigenen Strafstoßpunkt beugt Ellyes Skhiri den Oberkörper nach vorne und zieht mit seinen langen Beinen enormen Sprint an. Der Tunesier lässt Freund und Feind einfach stehen. Auch Schiedsrichter Dr. Matthias Jöllenbeck, der mehrere Meter Vorsprung hatte, wird schon an der Mittellinie einkassiert. Während einige Kölner abgekämpft von bis dahin 88 gespielten Minuten ab dem Mittelkreis Tempo herausnehmen müssen, läuft Skhiri einfach mit Vollgas weiter, um den eingewechselten Louis Schaub beim Konter zu unterstützen. Der Österreicher steckt für die nimmermüde Nummer 28 des 1. FC Köln durch. Auch mit Ball ist Skhiri nicht einzuholen: Knapp vor dem Strafstoßpunkt der SpVgg Greuther Fürth legt er die Kugel mit Gefühl am herauseilenden Marius Funk vorbei in die linke, lange Ecke. 3:1 für den FC. Ekstase bei den 40.000 Zuschauern im RheinEnergieStadion.
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"Ellyes ist der größte Profi, den ich kenne", setzte Rafael Czichos nach der Partie zu einer mehr als verdienten Lobeshymne auf Skhiri an. "Er arbeitet jeden Tag so unglaublich viel, doppelt so viel wie alle anderen", sagte er bei DAZN. "Der schmeißt sich in jeden Zweikampf rein. Dazu kann er auch noch übertrieben gut Fußball spielen." Und nun trifft der 26 Jahre alte Tunesier auch noch: Der Mittelfeld-Motor des FC netzte nicht nur zum 3:1 ein, sondern "klaute" Czichos bei einer Ecke von der linken Seite auch noch das 2:1 (55.). Mit 12,6 zurückgelegten Kilometern war Skhiri erneut der laufstärkste Kölner auf dem Feld: "Der kann laufen ohne Ende, das hat man heute wieder gesehen", zeigte sich Czichos begeistert. "So einen Sprint kurz vor Schluss noch anzuziehen - das kann bei uns nur er."
"Vor dem 3:1 wollte ich unbedingt nochmal mit nach vorne", sagte Skhiri. "Glücklicherweise kam das Zuspiel von Louis im richtigen Moment, sodass ich das Tor machen konnte." Über das 2:1 in der 55. Minute könne er gar nicht sagen, "ob Rafael oder ich zuletzt am Ball war." Was aber gegen Fürth deutlich zu erkennen war: Neben der kraftvollen, dynamischen und nach vorne gerichteten Spielweise unter dem neuen Trainer Steffen Baumgart sind auch noch die guten, alten Rezepte der Kölner perfekt abgeschmeckt: Bereits in der vergangenen Saison überzeugten die Rheinländer bei Standards. Auch 2020/21 wurde, wie beim 2:1 durch Jonas Hector, per Kopf am ersten Pfosten verlängert und am ballfernen Gestänge lauerte dann Skhiri. So schnürte der Tunesier zum Beispiel einen Doppelpack beim 2:1-Sieg gegen Borussia Dortmund im November 2020.
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Wer denn nun getroffen habe, sei "letztlich auch egal, es zählt nur, dass wir gewonnen haben. Nach dem schwierigen Start ist es noch ein schöner Abend geworden", so Skhiri. Danach sah es zunächst nicht aus: Mit vielen Abspielfehlern und unsauberen Ballannahmen bauten die Kölner die Mittelfranken immer wieder auf und brachten sie so ins Spiel. In den ersten 25 Minuten hatten die Hausherren schon so einige Probleme: "Fürth hatte ein sehr gutes und aggressives Anlaufverhalten, da mussten wir uns drauf einstellen", sagte Steffen Baumgart bei DAZN. Nach dem frühen 1:0 (7.) der Gäste ("Da ist unsere gesamte Abwehr zu früh eingerückt.") sei es den Fürthern viel einfacher gefallen, ihr Spiel umzusetzen. "Sie hatten sich dann nicht hinten reingestellt, sondern sogar die Chance auf das 2:0." Damit sprach Baumgart die 33. Minute an, als Jeremy Dudziak zwei Mal den linken Innenpfosten traf. Baumgarts Mannen seien jedoch drangeblieben und hätten es immer wieder versucht. "Es ist wichtig, dass du dich in schwierigen Phasen in so eine Partie rein arbeitest", betonte der FC-Coach.
In der Halbzeit habe er seinem Team nur gesagt, dass es ruhig bleiben solle und einfach so weiterspielen müsse. "Wir wissen wo wir herkommen. Dennoch wissen wir auch, welche Qualität wir haben." Und dass das eine Menge ist, zeigte sich beispielsweise in der 50. Spielminute, als Florian Kainz auf Zuspiel von Ondrej Duda rechts perfekt für den gestarteten Benno Schmitz durchsteckte und dabei Jetro Willems tunnelte. Schmitz drang mit höchstem Tempo in den Strafraum ein und bediente zielsicher den am langen Pfosten postierten Sebastian Andersson, der nur noch zum 1:1 einzuschieben brauchte. Aufgrund dieser starken und dynamischen Offensivszenen wurde Schmitz von den Kölner Fans unlängst als "kölsche Cafu" bezeichnet: Angelehnt am brasilianischen Doppel-Weltmeister, der in der Selecao und bei der AC Milan mit seinen Vorstößen das moderne Positionsprofil eines (rechten) Außenverteidigers prägte.
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Nach sieben Spieltagen und zwölf Punkten, dem besten Kölner Saisonstart in der Bundesliga seit fünf Jahren, schweben die FC-Fans im siebten Himmel: Die Spieler kämpfen, kratzen, beißen und kombinieren sich unter dem neuen Trainer in Windeseile in die Herzen der Anhänger. In der vergangenen Saison retteten sich die Rheinländer erst in der Relegation - das Hinspiel verlor der Effzeh gar mit 0:1 gegen Holstein Kiel und stand mit einem Bein in der 2. Bundesliga. Nun trumpfen die selben Spieler plötzlich auf, sind aktuell Sechster und haben in dieser Saison nur gegen den FC Bayern München verloren. Wer solche sportlichen Wunder wie Baumgart vollbringt, dem wird in Köln alles zugetraut: "Steffen Baumgart wird Kanzler!", skandierten die frenetischen FC-Fans am Freitag.
Bis Dienstag gab der aus kölscher Sicht designierte Bundeskanzler mit der bereits jetzt ikonischen Schiebermütze den Seinen nun frei. Viel Zeit, um sich nach dem wichtigen Sieg gegen einen laut Rafael Czichos "ekligen Gegner" zu regenerieren. "Wir werden auf dem Teppich bleiben", garantierte der erfahrene Innenverteidiger. Nach der Länderspielpause geht es zur TSG Hoffenheim: Die Kölner könnten sich dort vor dem Derby gegen Bayer 04 Leverkusen erst einmal oben festsetzen. Die Fans träumten bereits Freitag vom Europapokal und von Mailand. Bei jedem weiteren Assist von Schmitz (bereits drei) werden sie auch unweigerlich an die schöne italienische Metropole erinnert. Und das mit dem Amt des Bundeskanzlers? Baumgart: "Das kann noch ein wenig warten!"