Bundesliga
Köln - Marco Reus trank einen Schluck Limonade und lächelte befreit, er war heilfroh über den erlösenden "Banküberfall" in Köln. Dennoch sah der Kapitän von Borussia Dortmund die Zeit für eine klare Ansage gekommen. "Am Dienstag" – also bei der Video-Analyse – "werden wir uns wahrscheinlich alle in den Arsch beißen, weil es einfacher hätte gehen können", sagte er: "Wir sind noch nicht da, wo wir uns sehen und wo wir hinwollen."
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Das bezog sich, logischerweise, nur auf das Spielerische. Denn nach dem hart erkämpften 3:1 (0:1)-Sieg beim wie von Sinnen rackernden Aufsteiger 1. FC Köln ist der BVB eigentlich genau dort, wo er hin will. Tabellarisch jedenfalls: weit, weit oben. Und das, obwohl der Vizemeister und selbst ernannte Titelanwärter nach seinem Traumstart in die Saison gegen Augsburg (5:1) mehr als zwei Drittel des zweiten Spiels in Rückstand lag – bis Julian Brandt und Achraf Hakimi von der Ersatzbank kamen und sofort zündeten wie Mondraketen.
"Wir dürfen nicht denken, dass jetzt alles so geht", äußerte Reus, "nur weil wir so tolle Qualitätsspieler dazubekommen haben." Kampf, Leidenschaft, Wille: Alles kam am Freitagabend spät – und doch noch früh genug. Gut also, wenn die Tiefe der Bank der Wahnsinn ist. Brandt benötigte ganze fünf Sekunden, um die Mannschaft mit einem Traumpass wachzurütteln, Hakimi überragte mit seiner Schnelligkeit. "Dafür sitzen wir ja auf der Bank", sagte Brandt bescheiden. "Damit wir nachlegen können, ein belebendes Element sind."
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Nur acht Minuten nach der Einwechslung von Brandt und Hakimi sorgte Shootingstar Jadon Sancho für den zu diesem Zeitpunkt verdienten Ausgleich. Sein 15. Bundesliga-Tor mit nur 19 Jahren und 151 Tagen – keiner war bei dieser Marke jünger. Joker Hakimi brachte Schwarzgelb vier Minuten vor Ablauf der regulären Spielzeit auf die Siegerstraße. Sancho, der noch rechtzeitig seine derzeit scheinbar alles überragende Top-Form fand, bereitete in der vierten Minute der Nachspielzeit schließlich auch den Entscheidungstreffer vor – und Torjäger Paco Alcacer knipste.
In Köln bewies das Team von Trainer Lucien Favre, dass es eine Spitzenmannschaft ist. Brandt und Hakimi zeigten eindrucksvoll, dass die Breite des Kaders in dieser Saison qualitativ auf höherem Niveau ist als in der letzten. "Es haben bei uns Spieler keine Minute gespielt, die hatten auch ganz gute Namen auf dem Rücken", sagte Brandt sogar. Weltmeister Mario Götze beispielsweise. Oder Kämpfer Thomas Delaney, der feine Techniker Mahmoud Dahoud, Marcel Schmelzer als Alternative zu Nico Schulz, Dan-Axel Zagadou für die Innenverteidigung.
Der BVB war also hin- und hergerissen zwischen Selbstkritik, Erleichterung und einer wichtigen Erkenntnis: Es geht auch mal schmutzig. Brandt wertete das zweite Comeback im zweiten Spiel als gelungenen Charaktertest: "Jetzt haben wir gemerkt, dass wir für unsere drei Punkte kämpfen müssen. Dass das alles nicht selbstverständlich ist."
SID