Bundesliga

2024-05-21T14:30:00Z

Meistermacher Xabi Alonso

Bayer 04 Leverkusens Erfolg in so unfassbar souverän umgesetzter Art und Weise ist im wahrsten Sinne des Wortes Xabi Alonsos Meisterstück. Die Weltkarriere des Spaniers als Trainer hat mit der ersten Meisterschaft in der Historie der Werkself gerade erst an Fahrt aufgenommen. Ein Kollege und einstiger Mentor hat diese Entwicklung bereits vor fünf Jahren vorhergesagt. Eine Analyse der Erfolgsgeschichte.

Es ist nicht übermittelt, ob José Mourinho den größten Trainererfolg seines ehemaligen Schützlings aus seiner portugiesischen Heimat in Setubal verfolgt hat. Es ist allerdings gut vorstellbar, dass sich "The Special One", von welcher Residenz aus auch immer er das Meisterstück von Bayer 04 Leverkusen am Sonntag begutachtete, gegenüber seinen Liebsten zufrieden zurücklehnte und mit dem ihm eigenen Selbstbewusstsein erklärte: “Ich habe es euch doch gesagt!“.

Tatsächlich war es der Portugiese, der die erfolgreiche Trainerkarriere von Xabi Alonso öffentlich vorhergesagt hat. 2019, in einem Interview für einen seiner Sponsoren, erinnerte Mourinho an die  exzellenten Trainervoraussetzungen seines ehemaligen Mittelfeldstrategen: "Sein Vater war ein Trainer, er ist ähnlich aufgewachsen wie ich. Dann wurde er Spieler – natürlich viel besser als ich“, erklärte Mourinho und lobte im nächsten Atemzug Alonsos "Stellungsspiel und Wissen über das Spiel“.

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Alonso habe in Spanien, in England und in Deutschland gespielt. "Er wurde von Pep Guardiola bei Bayern von mir und Carlo Ancelotti bei Real Madrid und von Rafael Benitez bei Liverpool trainiert", so der portugiesische Startrainer, der zu dem Schluss kam: "Wenn man all das zusammennimmt, hat Xabi die besten Voraussetzungen, ein sehr guter Trainer zu sein!"

Alonso hat die Vorhersehung bereits übererfüllt

Diese Voraussetzungen und die Vorhersehung hat Xabi Alonso nur wenige Jahre nach dem Interview bereits in seiner ersten vollständigen Saison bei Bayer 04 Leverkusen längst ausgefüllt und mit dem größten Erfolg in der Vereinsgeschichte der Rheinländer mehr als übertroffen. In der Bundesliga war der "Werkself" die Meisterschale nach dem 5:0-Erfolg in Bremen am 29. Spieltag schon rechnerisch nicht mehr zu nehmen - nun folgte mit dem 2:1 gegen Augsburg das 51. Pflichtspiel ohne Niederlage und der Abschluss einer perfekten Bundesliga-Saison.

Gibt's auch noch die ultimative Krönung? Im Europa-League-Finale am Mittwoch gegen Atalanta Bergamo winkt das Double, im DFB-Pokalfinale am 25. Mai gegen Zweitligist 1. FC Kaiserslautern dann sogar ein dritter Titel. Drei außerordentlich gute Gründe, um einen Blick auf Alonsos bisherige Trainerkarriere zu werfen und die Gründe für seinen Erfolg zu benennen.

Zum Zeitpunkt von Mourinhos Vorhersage 2019 war Xabi Alonso gerade dabei, seine erste Rolle als Cheftrainer zu verinnerlichen. Nach einem Jahr als Jugendtrainer bei Real Madrid übernahm Alonso die zweite Mannschaft von Real Sociedad in der dritthöchsten spanischen Spielklasse. Wie bereits bei den Königlichen, wo er als Spieler über jeden Zweifel erhaben war und sich als Jugendtrainer in Ruhe ausprobieren durfte, wählte Alonso auch diese Station clever.

Real Sociedad mit Bedacht gewählt

In der 190.000 Einwohner fassenden Stadt an der Küste Nordspaniens, Donostia-San Sebastián, wuchs Alonso nicht nur selbst auf. Beim größten Club der Region vollzog er zudem von 2000 bis zu seinem Wechsel zu Liverpool 2004 seine ersten erfolgreichen Erstligaschritte, ist in der gesamten Region aufgrund seiner Verdienste ausnahmslos respektiert. Eine am Donnerstag veröffentlichte "Sky“-Dokumentation, die in Alonsos Heimat gedreht wurde, legt darüber hinaus nahe, dass die Menschen ihn für seine ruhige und demütige Art verehren.
In der Dokumentation erklärt Mikel Etxarri, früherer Verantwortlicher im Nachwuchsbereich von Real Sociedad: "Xabi ist immer Xabi geblieben. Bescheiden. Jemand, der dich aufhält, wenn er dich auf der Straße sieht, um dir eine Umarmung zu schenken und mit dir zu sprechen." Sein Berater Inaki Ibanez sagt: "Die Person, die Xabi Alonso heute ist, ist ein Spiegelbild seiner Familie."

Verehrter Alonso stieg in Liga zwei auf – und wieder ab

In dieser für ihn sehr positiven Gemengelage durfte sich Alonso drei volle Saisons entwickeln, Fehler machen, Formationen ausprobieren und den Umgang mit angehenden Profis entlang der schwierigen Corona-Pandemie erlernen und verinnerlichen. In 98 Ligaspielen holte er sehr ordentliche 1,46 Punkte im Schnitt, stieg in der zweiten Saison gar in die zweite spanische Liga auf, die sich in der dritten Spielzeit allerdings als eine Klasse zu hoch erwies für Alonsos Mannschaft. Doch der Grundtenor der geleisteten Arbeit wurde nicht nur innerhalb Spaniens, sondern auch international mehr als positiv bewertet.

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Alonso selbst hatte Anfang 2022 gegenüber "RTL" zugegeben, konkrete Gespräche mit Borussia Mönchengladbachs damaligem Sportchef Max Eberl (heute FC Bayern) geführt zu haben, verlängerte aber unmittelbar danach 2021 in Sociedad und erklärte ein Jahr später: "Ich muss auch noch etwas wachsen, mich verbessern, um ein guter Trainer zu werden. Wer weiß, was die Zukunft dann bringt", so der einstige Mittelfeld-Star nach der Offerte der "Fohlenelf“.

Völler schwärmt von Alonso

Als Bayer Leverkusen im Herbst 2022 in eine sportliche Krise schlitterte, kontaktierten die Verantwortlichen Fernando Carro und Simon Rolfes den Spanier erfolgreich. Alonso führte Bayer zunächst aus dem Tabellenkeller heraus, die Verantwortlichen schützten den Spanier in einer weniger konstanten Phase innerhalb der Rückrunde. Am Ende der vergangenen Saison wurde Rang sechs und die Qualifikation für die Europa League in den Statistiken festgehalten.

Rudi Völler nannte es unlängst die "beste Idee” seines Nachfolger Rolfes, Alonso als Trainer bei der "Werkself“ zu installieren. "Mit welcher Dominanz und Selbstverständlichkeit Bayer die Spiele bestreitet, so wie wir es von Bayern München in den richtig guten Jahren gewöhnt waren. Das ist schon wirklich überragend“, erklärte der heutige DFB-Sportdirektor Völler.

In der aktuellen Saison und nach einer Sommer-Transferperiode, die Alonso wesentlich mitgestalten konnte, hat sich das Spiel der Werkself weiterentwickelt. Von den 13 Sommerneuzugängen ragen auf den ersten Blick vor allem Granit Xhaka auf der Sechs sowie Stürmer Victor Boniface heraus, dem auch dank Alonso der Übergang aus der belgischen Liga in die Bundesliga fließend gelang. Dazu kam der unter Alonso herausragende Linksverteidiger Alejandro Grimaldo ablösefrei von Benfica Lissabon und gilt seitdem europaweit als einer der größten Transfercoups des Sommers.

Alonso macht Spieler besser, konstanter und ist taktisch flexibel

Die deutschen Nationalspieler Florian Wirtz und Jonathan Tah rufen ihre teilweise herausragenden Leistungen unter Alonso regelmäßiger ab und konnten ihre Fähigkeiten erheblich verbessern. Der Baske präsentierte darüber hinaus diese Saison, dass er taktisch flexibel und anpassungsfähig ist. Er variierte sein Spiel anhand der gegnerischen Qualitäten, behielt dabei aber immer die wichtigsten Prinzipien seines Spiels bei, die in allen Wettbewerben zum Erfolg führten: Positionsspiel, schnelles, aber strukturiertes Offensivspiel, zielorientiertes Passspiel im letzten Drittel und schnelle Konter-Angriffe.

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Schon zu Saisonbeginn lobte Grimaldo seinen Coach in den höchsten Tönen. "Er ist ein Top-Trainer. Ein Trainer, der viel vermittelt. Er ist sehr anspruchsvoll, weiß aber, wie er seinen Spielern Selbstvertrauen geben kann", erklärte der spanische Neuzugang den Landsmann an der Seitenlinie. Mit jedem erfolgreichen, ungeschlagenen Spiel mehr glaubten die Bayer-Akteure an die taktischen Vorgaben ihres Chefs. Über alle fußballerischen Zweifel war Alonso aufgrund seiner Erfolge als Spieler ohnehin erhaben. Der einstige Mittelfeldstratege absolviert noch regelmäßig Trainingsspiele mit dem Bundesliga-Kader. Jonas Hofmann bekannte unlängst, dass der 42 Jahre alte Coach in einem Abschlussspiel sogar den entscheidenden Siegtreffer erzielt hat.

Alonso sichert Verbleib in Leverkusen zu

Dass sich Alonso in Leverkusen sehr wohlfühlt, hat nicht zuletzt sein Bekenntnis gezeigt, trotz attraktiver Möglichkeiten bei seinen ehemaligen Vereinen FC Bayern München oder dem FC Liverpool der "Werkself“ weiter erhalten zu bleiben. "Nach einem Jahr bauen wir ein Team auf, wir bauen hier einen tollen Geist auf", erklärte der 42-jährige Spanier die Gründe seines Verbleibs und führte aus: "Es gab viele Gründe und so viele Spieler. Die Saison war bisher großartig, und wir wollen auf jeden Fall weiter zusammen spielen", betonte der Leverkusener Trainer. Er habe sich "als Teil davon gefühlt. Nach einem Jahr fühlte es sich nicht wie der richtige Zeitpunkt an, und deshalb habe ich mich dazu entschieden."

Die spielerische Komponente hat Xabi Alonso seinem Mentor José Mourinho voraus. Bei allen taktischen und menschelnden Themen ist er nah dran. Nur die Vitrine mit den Meisterschaften und Pokalen ist beim Portugiesen deutlich gefüllter. Aber mit der sensationellen Meisterschaft in Leverkusen ist der Anfang gemacht.

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