Deniz Undav: gegen alle Widerstände

In der 87. Spielminute war der Arbeitstag beendet. Trotz der Auswechslung ging Deniz Undav mit einem breiten Grinsen vom Platz. Breiter war gefühlt nur die Brust des bulligen Stürmers vom VfB Stuttgart. Denn der Arbeitsnachweis des 27-Jährigen konnte sich beim 5:2-Erfolg über RB Leipzig sehr gut sehen lassen. Alleine die drei Treffer reichten für ein sehr gutes Zeugnis. Ein Zeugnis und eine Bewerbung zugleich. Denn Undav präsentiert sich in unnachahmlicher Art und Weise für die Europameisterschaft im eigenen Land. Schon im März wäre eine Einladung von Bundestrainer Julian Nagelsmann alles andere als eine Überraschung. Mit zwölf Treffern in 16 Spielen ist der Angreifer der erfolgreichste deutsche Spieler der Bundesliga. 

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Eine Einladung zur Nationalmannschaft wäre für Undav wohl folgerichtig, sie wäre aber auch mit der größte Gegensatz zu den Anfängen seiner Karriere. Denn der Traum vom Profifußball war für den in Achim bei Bremen Geborenen eigentlich geplatzt, bevor er überhaupt angefangen hatte. Und das gleich mehrfach. Dabei war das Talent des Kickers bereits früh ausgemacht. So wechselte Undav schon in der D-Jugend von seinem Heimatverein in die Junioren-Abteilung des SV Werder Bremen.   

Fünf Jahre später endete die Zeit beim Bundesligisten früher als erhofft. Undav wurde aussortiert. Er sei zu klein und zu dick gewesen, habe man ihm erklärt, sagte der Angreifer später in einem Interview. "Als kleiner Junge hat ja jeder den Traum gehabt, Fußballer zu werden. Und gefühlt war mein Traum dann geplatzt, als es bei Werder nicht mehr weiterging", sagte Undav. Doch gerade das Bullige hilft dem Stürmer zurzeit in den direkten Duellen. Obwohl Undav gerade mal 1,79-Meter misst, hat der 27-Jährige schon vier Kopfballtore in dieser Saison erzielt - nur Harry Kane kommt aktuell auf fünf. Dabei ist er ein umtriebiger Angreifer, läuft im Schnitt 11,8 Kilometer und zieht pro Spiel 28 Sprints an. 

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Dass Undav diese Qualitäten beim VfBeinbringen darf, ist seinem unbändigen Willen zu verdanken. Aufgeben gibt es nicht. Über den SC Weyhe gelang dem Stürmer der Sprung in die U19 des TSV Havelse, wo ihm der Übergang in die Regionalliga gelang. In zwei Spielzeiten erzielte Undav für die Niedersachsen 32 Tore. Das blieb dem Nachbarn Eintracht Braunschweig nicht verborgen. Der Stürmer wechselte im Sommer 2017 zu den Löwen. Sein Glück fand der Goalgetter der Schwaben aber auch dort nicht. 

Denn obwohl es bei der Eintracht alles andere als rund lief, stand Undav nur einmal bei den Profis im Kader, zum Einsatz kam er nicht. Der Angreifer ging für die zweite Mannschaft auf Torejagd, erzielte in der Regionalliga in 18 Spielen immerhin neun Tore und wechselte zum Ende der Saison zum SV Meppen in die 3. Liga. Ein verspäteter Start in den Profifußball - wenn auch nicht auf höchstem Niveau. In zwei Spielzeiten erzielte der Angreifer 23 Tore und weckte damit weiteres Interesse. 

Vor allem beim belgischen Club Royale Union Saint-Gilloise. Ein Club, der mit datenbasierten Transfers und wohl auch dem nötigen Kleingeld den Sprung zurück auf den europäischen Radar geschafft hat. "Sie haben alles gegeben, alle zwei Tage meinen Berater angerufen. Ich habe gemerkt: Die kämpfen um mich, da bekomme ich zum ersten Mal richtige Wertschätzung. Das Gefühl kannte ich nicht", sagte Undav der "Kreiszeitung Syke". Und diese Wertschätzung zahlte sich aus. Mit 17 Toren schoss er sein Team zum Aufstieg und wurde in der Folgesaison Torschützenkönig (25 Treffer) und Tabellenzweiter mit Union. Im Sommer 2022 sicherte sich Brighton & Hove Albion die Dienste des Stürmers, verlieh ihn umgehend wieder an den belgischen Club und im vergangenen Sommernach Stuttgart. 

Der Rest der Geschichte ist bekannt. Undav trifft und trifft und trifft. Zuletzt gegen RB Leipzig. Möglicherweise im Sommer dann auch bei der Europameisterschaft im eigenen Land.