Bundesliga
Dieses Spitzenduell zwischen dem FC Bayern München und Bayer 04 Leverkusen war Werbung für die Bundesliga: vier Tore, zahlreiche Großchancen und sehenswerte Kombinationen auf beiden Seiten. Die Werkself bleibt nach einem Lucky-Punch-Elfmeter vor dem Rekordmeister.
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Nach 90.+9 Minuten Spielzeit waren sich in der Allianz Arena, zumindest was das Resultat anging, alle einig: Dieses Spitzenspiel zwischen dem Zweiten und dem Ersten der Bundesliga-Tabelle endete zurecht mit einer Punkteteilung. "2:2 ist vom Ergebnis verdient", resümierte Thomas Müller aufseiten des FC Bayern München. Bayer 04 Leverkusens Jonas Hofmann fasste es wie folgt zusammen: "Mit dem 2:2 können bei der Chancenfülle auch alle zufrieden sein."
Die Gäste aus dem Rheinland, denen angesichts von zuvor drei überaus überzeugenden Siegen durchaus Erfolgschancen in München ausgerechnet wurden, schienen ob des Spielverlaufs dennoch glücklicher mit diesem spät errungenen Punkt beim FCB. Kein Wunder, denn Leverkusen wird auch nach diesem Spieltag vor dem FC Bayern stehen. Ein bisschen mehr wurde also vor dem Gäste-Bereich gefeiert.
Doch der FC Bayern wird sich nicht grämen. Dieses Leverkusen war ein mehr als ebenbürtiger Gegner für die Tuchel-Elf und hätte mit etwas mehr Fortune und Kaltschnäuzigkeit im Abschluss auch drei Punkte aus der bayerischen Landeshauptstadt entführen können. "Vor der Halbzeit hätten wir ein Tor machen müssen, Harry Kane hätte das 2:1 machen müssen. Aber danach hatten wir auch ein bisschen Glück und Sven Ulreich, dass wir nicht in Rückstand geraten", fügte Müller hinzu.
Der Rekordmeister war äußerst dominant in diese Partie gestartet, die Anfangsphase gehörte dem Gastgeber. Bereits in der 7. Minute stand Kane nach einer unfreiwilligen Kopfballverlängerung vor den zweiten Pfosten durch Edmond Tapsoba goldrichtig und nickte zur frühen Führung ein. In seinen ersten vier Bundesliga-Spielen für den FC Bayern hat Kane vier Tore erzielt - das ist die Einstellung des Vereinsrekords (bisher gelang das Klose, Guerrero, Wegmann, G. Müller und Ohlhauser).
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"In den ersten fünf Minuten waren wir noch im Hotel. Aber nach 15 Minuten habe ich meine Mannschaft gesehen", sagte Bayer-Cheftrainer Xabi Alonso, der von 2014 bis 2017 selbst für Bayern die Schuhe schnürte. Wer nach dem Münchener Blitzstart also mit einer Machtdemonstration des Gastgebers rechnete, sah sich getäuscht: Bayer 04 fand nach schwachen Anfangsminuten zunehmend in seinen Spielfluss, ließ das Leder immer besser laufen. "Wir hatten gute erste 20 Minuten, da hätten wir schon eine Vorentscheidung erzwingen können. Danach hatten wir schlechte 20 Minuten, haben viele Fehler gemacht", sah es FCB-Coach Thomas Tuchel ähnlich.
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Ein kniffliger Zweikampf zwischen Alejandro Grimaldo und Müller, bei dem der Bayern-Stürmer eher den Gegenspieler statt den Ball traf, bescherte den Gästen einen einen Freistoß. Der Gefoulte trat selbst an und schraubte die Kugel rechts unter die Latte - Marke Traumtor! Bayers Angriffsmaschine Victor Boniface hätte mit einer Doppelchance (31./32.) wenige Minuten später das Ergebnis sogar frühzeitig umdrehen können.
Dann waren wieder die Hausherren am Drücker - die erste Halbzeit ließ sich in drei Phasen unterteilen. Bayern war dem zweiten Tor vor der Pause bei einem xGoals-Wert von 1,5 zu 0,4 näher, scheiterte aber unter anderem am - genauso wie auf der Gegenseite Sven Ulreich - stark aufgelegten Lukáš Hrádecký, der nach Schlusspfiff zurecht von der Gäste-Kurve mit lautstarken "Lukas-Hradecky-Rufen" gefeiert wurde.
"Das Spiel hatte ein unglaubliches Niveau, es ging immer wieder hin und her und hat unfassbar viel Spaß gemacht", nahm Hofmann eine Bewertung dieses Auftaktsduells des 4. Spieltags vor. Symbolisch die Aktion von Boniface wenige Minuten nach Wiederbeginn: Der Nigerianer sah Ulreich etwas weiter vor seinem Tor stehen und fackelte mir nichts, dir nichts knapp vor der Mittelinie einfach mal drauf. Die Zuschauer hielten förmlich den Atem an. Dieses Geschoss hätte ein Tor verdient gehabt, landete aber nur auf dem Tordach.
Kurze Zeit später folgte die von Müller angesprochene Großchance durch Kane: Eigentlich ein gefundenes Fressen für den 30-Jährigen aus sechs Metern Entfernung, doch Hradecky wehrte mit dem Fuß überragend ab. Im weiteren Verlauf des zweiten Durchgangs nahm das Tempo auch angesichts der Reisestrapazen beider Teams etwas ab, die Spannung blieb jedoch unverändert hoch.
Beide Mannschaften warteten auf den einen Moment, um dieses Topspiel doch noch auf die eigene Seite zu ziehen. Erst in der Schlussviertelstunde nahm die Partie wieder Fahrt auf: Zunächst traf Florian Wirtz nach einem sehenswerten Zusammenspiel mit Boniface den rechten Pfosten, danach schoss Letzterer Ulreich freistehend an.
"Wenn ihr nicht wollt, machen wir es eben", dachten sich wohl die Bayern und bestraften diese verpasste Möglichkeit in der 86. Minute nach einer Einzelaktion von Mathys Tel und dem Zuspiel in den Rückraum zu Torschütze Leon Goretzka, der nur noch ins leere Tor einschieben musste. Spiel gedreht! Ein Novum aus Leverkusener Sicht: Nach zuvor vier Gegentoren nach Standards wurde die Werkself erstmals in dieser Saison aus dem laufenden Spiel heraus bezwungen.
Doch dieser "geile Freitagabend", wie ihn Hofmann treffend beschrieb, setzte noch einen drauf: Nach einem Chip-Pass von Wirtz auf die rechte Strafraumseite verhielt sich Alphonso Davies beim Versuch des Ballgewinns gegen Hofmann etwas zu ungestüm, traf den deutschen Nationalspieler am rechten Bein. Schwierig für Schiedsrichter Daniel Schlager zu bewerten, doch der Strafstoß ging in Ordnung. "Für mich ein ganz klarer Elfmeter. Er verpasst mir unten einen Schlag. Ich habe wirklich gar keine Zweifel daran, dass es ein Elfmeter ist", analysierte Hofmann diese Szene.
Wie schon beim 2:1-Heimsieg Leverkusens vom 25. Spieltag der Vorsaison, als der damalige Doppel-Torschütze Exequiel Palacios zweimal vom Punkt getroffen hatte, trat der Argentinier auch dieses Mal zum Strafstoß an - wohlgemerkt in der 94. Minute. Der Mittelfeldspieler behielt erneut die Nerven und verwandelte zu präzise für Ulreich links in den Maschen - Riesenjubel bei der Werkself.
"Hier in München zweimal zurückzukommen - das verdient Respekt", beurteilte Bayer-Anführer Granit Xhaka am DAZN-Mikrofon den Lucky Punch. Die etwas betretenen Minen aufseiten der Gastgeber waren indes nur allzu verständlich. "Es tut immer weh, wenn du so spät ein Tor bekommst", erklärte Konrad Laimer.
Es war ein hochklassiger Abend, der nahezu alles zu bieten hatte. "Ich denke, die Erwartungen der Fans wurden erfüllt", meinte Hofmann zurecht. Bei einem Torschussverhältnis von 15:13 und einem weitestgehend ausgeglichenen Ballbesitz-Verhältnis war das 2:2 "ein gerechtes Ergebnis", wie Tuchel zu Protokoll gab. Man muss kein Hellseher sein, um vorauszusagen, dass diese beiden Mannschaften noch eine ganze Weile um den Platz an der Sonne kämpfen dürften. "Leverkusen ist eine super Mannschaft mit sehr guten individuellen Spielern und einem guten Plan. Wir freuen uns auf eine spannende Saison", sagte Laimer. Wir uns auch.