Bundesliga
Gleich alt und fast gleich groß, bald im direkten Duell: Niclas Füllkrug und Harry Kane treffen mit Borussia Dortmund und dem FC Bayern erstmals im Klassiker aufeinander. Für ihre Teams sind sie viel mehr als nur neue Neuner.
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Beide haben 30 Lenze auf dem Buckel, Niclas Füllkrug trägt dafür einen Zentimeter Körpergröße mehr mit sich rum (1,89 Meter) als Harry Kane (1,88 Meter). Zudem haben beide Angreifer im Sommer einen Wechsel zu einem Top-Club in der Bundesliga vollzogen: Während Kane der Rekordtransfer beim Rekordmeister FC Bayern München ist, ist der deutsche Nationalstürmer ein neuer Fixpunkt in der Sturmspitze für Borussia Dortmund, das vergangene Saison am 34. Spieltag auf tragische Art und Weise noch die Meisterschaft verspielte.
Nach dem Abgang von Robert Lewandowski im Sommer 2022 versuchte es der FCB ohne einen externen, neuen Neuner. Weil Eric Maxim Choupo-Moting phasenweise am Fließband netzte, fiel es aufgrund des letztlich gewonnenen Meistertitels bei den Bayern nicht dauerhaft ins Gewicht, dass man keinen Knipser vom Format Lewandowskis hatte. Das Spiel der Bajuwaren wurde in vorderster Front ein wenig anders, neu aufgezogen, aber die Sehnsucht nach einem echten Neuner von internationalem Form blieb.
Mit dem Kapitän Englands hat München nun wieder einen Angreifer im Weltklasse-Format in seinen Reihen, der mit seiner schieren Präsenz dauerhaft Torgefahr ausstrahlt und auch Gegner dadurch bindet. Die Schwarz-Gelben hatten nach dem Weggang von Erling Haaland im Sommer 2022 in der Sturmspitze nachgerüstet und Sébastien Haller verpflichtet. Aufgrund einer Hodenkrebserkrankung fiel der Ivorer lange aus, kämpfte sich zurück und wurde in der Rückrunde ein Erfolgsfaktor der Borussia. Doch die monatelange Pause hat logischerweise ihre Spuren hinterlassen: Haller braucht noch ein wenig mehr Zeit, um sich voll zu entfalten. Diese Zeit hat der Ivorer nun – die Verpflichtung Füllkrugs nahm ihm eine Last und den Borussen etwas Druck von den Schultern.
Dass sich der Kane-Transfer sportlich mehr als gelohnt hat, beweist sein Saisonstart: Zwölf Treffer in den ersten neun Bundesliga-Spielen - so gut ist nie zuvor ein Spieler in seine Bundesliga-Karriere gestartet! "Mein Team kreiert eine Menge Chancen und Gottseidank kann ich einige davon verwerten", gibt sich der Weltstar bescheiden. Auch Füllkrug hat einen exzellenten Abschluss und ist ein Mann mit einem sehr gut ausgebildeten Torriecher - auch wenn er noch nicht die Quote seines Bayern-Pendants vorweisen kann. Beide haben ein ordentliches Pfund im rechten Fuß, in dieser Saison schlossen sie bei ihren Treffern eher durchdacht und platziert ab.
Der englische und der deutsche Nationalspieler sind aber keine reinen Strafraumstürmer: Sie suchen mit ihren Laufwegen nicht hauptsächlich den Weg in die Tiefe, immer wieder kippen sie von der vordersten Linie ab und holen sich aus etwas tieferer Position die Bälle. Weil sie viele Mitspieler mit ordentlich Zug zum Tor um sich herum haben, bleibt der zentrale Raum vor der Kiste auch dann besetzt, wenn sie nach hinten oder zur Seite weichen. Gerade bei diesen Bewegungen auf die Außenbahnen oder ins Mittelfeld schaffen sie Räume, binden Gegenspieler und machen in deren Rücken die Gassen für schnelle Akteure wie beispielsweise Leroy Sané oder Donyell Malen auf.
Sowohl Kane als auch Füllkrug sind mit einer enormen Übersicht gesegnet. Der Engländer spielt zudem regelmäßig perfekte Tiefenpässe wie ein gelernter Zehner. "Manchmal lasse ich mich fallen, um für Leroy, Kingsley oder Jamal vorzubereiten. Das klappt immer besser", sagt Bayerns neuer Neuner, der nicht nur zwölf Treffer erzielt, sondern auch fünf weitere vorbereitet hat. Damit ist Kane der Topscorer der Bundesliga! Was Füllkrug besonders auszeichnet: Seine Qualität als Wandspieler. Gerne wartet er zwischen den Verteidigern auf Anspiele und lässt diese mit einem Kontakt direkt zum Nebenmann prallen. "Lücke" findet gerne auch dieselbige und ist dadurch ein beliebter Doppelpass-Partner im Dortmunder Angriff.
"Das ist genau die Komponente, die wir uns gewünscht haben. Das Profil, dass er abbildet mit seiner Körperlichkeit und seiner Physis", beschreibt Dortmund Sportdirektor Sebastian Kehl, warum Füllkrug die Lücke im Dortmunder Angriffsspiel so gut füllt. Der 30 Jahre alte Stürmer ist im Laufe der Jahre extrem gereift, strahlt eine enorme Ruhe aus. Das macht sich vor allem unter Raum-, Zeit- und Gegnerdruck bemerkbar: Füllkrug findet regelmäßig Lösungen in den Drucksituationen, seine Escape Rate von 54 Prozent ist beeindruckend: In mehr als der Hälfte aller Situationen unter Druck findet "Lücke" also den erfolgreichen Ausweg. Bei Kane liegt dieser Wert knapp unter 50 Prozent (48).
"Ich glaube, dass die Qualität in der Mannschaft absolut da ist", sagt Füllkrug über seine Dortmunder Jungs. "Ich glaube, dass ich da nochmal ein kleines Tickchen an Verbesserung mit reinbringen kann", fügt der Stürmer noch hinzu. Dieses "Tickchen" ist leicht untertrieben: Er ist der neue Neuner, mitspielend aber auch als Vollstrecker ein Go-to-Guy im Angriff des BVB und der deutschen Nationalmannschaft gesetzt. Das gleiche gilt für Kane, nur eben bei den Bayern und England.
Der Klassiker am 10. Spieltag verspricht nicht nur ein spannendes Duell im Kampf um die Meisterschaft - es wird auch ein Aufeinandertreffen zweier Stürmer, die mehr Ordnung und Angriffswucht ins Offensivspiel ihrer jeweiligen Teams gebracht haben.
Patrick Dirrigl