Bundesliga
Er absolviert eine Top-Saison: Leroy Sané. Hinter Harry Kane ist er der beste Torschütze des FC Bayern München. Und auch sonst: Die Nummer 10 des FCB macht einen beschwingten Eindruck und fühlt sich unter Trainer Thomas Tuchel sichtlich wohl.
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Nachdem das Titelrennen in der vergangenen Saison ziemlich eng war und die Meisterschale letzten Endes nur aufgrund der besseren Tordifferenz an den FC Bayern München ging, stellten sich im vergangenen Sommer viele Fans spannende Fragen: Wie würde der FCB nach der ersten richtigen Vorbereitung unter Trainer Thomas Tuchel agieren? Würde der Rekordmeister wieder stabiler agieren? Und: Auf welche Spieler wird der Coach besonders setzen?
Dass Rekordzugang Harry Kane gesetzt sein würde, war klar. Dass hinter dem Kapitän der englischen Nationalmannschaft Leroy Sané aber zur klaren Nummer zwei in Bayerns Offensive aufschwingen wird – das kam dann doch ein wenig überraschend. Der deutsche Nationalspieler stand in dieser Bundesliga-Saison immer in der Startelf der Bayern und brachte es 2023/24 auf die meiste Einsatzzeit aller FCB-Feldspieler. In den letzten sechs Spielen der Vorsaison, der Crunch-Time im Titelrennen mit dem BVB, startete der frühere Schalker gar nur zwei Mal: Am 34. Spieltag gegen Köln und am 32. Spieltag gegen S04.
Sané zahlt das Vertrauen, das Tuchel in dieser Saison in ihn setzt, zurück: Mit derzeit sechs Treffern in der Bundesliga ist er hinter Kane (acht Buden) der torgefährlichste Spieler der Bayern. Schnell war Bayerns Nummer 10 ja schon immer. Ein unfassbar wendiger Dribbler, der unter höchstem Raum-, Zeit- und Gegnerdruck sich kreativ durchsetzen kann, ist der 27 Jahre alte Flügelspieler ebenfalls seit jeher. In dieser Saison bringt der Offensivspieler allerdings seine unfassbaren Fähigkeiten, sein immenses Potential, regelmäßig auf den Rasen. Was ist im Sommer passiert? Warum dreht Sané derzeit so auf?
"Wir wissen es nicht", sagt Thomas Müller, der sich die Leistungsexplosion nicht erklären kann, aber weiß: "Es hat sich etwas geändert. Es ist eine Freude, mit ihm zu spielen und auch zu sehen, wie viel Spaß er aktuell am Fußball hat", fährt der Routinier fort, wenn er über seinen Teamkollegen spricht. "Es ist teilweise eine Augenweide, ihn zu spielen zu sehen. Die guten Aktionen von ihm sind zum Zungeschnalzen – und mittlerweile hat er sehr viele davon im Spiel."
Zum Beispiel am vergangenen Spieltag gegen den Sport-Club Freiburg: In der 25. Minute nahm der Flügelspieler nach einer Körperdrehung auf links Tempo auf, war bei seinem Tempodribbling Richtung Strafraum nicht zu stoppen. Dann ein wohl temperierter Doppelpass mit Kane und der lehrbuchmäßig durchgelaufene Sané musste nur noch zum 2:0 einschieben. Wie Bayerns Nummer 10 dann nur wenig später Merlin Röhl im Freiburger Strafraum im Dribbling eindrehte, tunnelte und dann mit einem Weltklasse-Abschluss links oben in den Winkel vollendete – wirklich zum Zungeschnalzen. Weil Sané beim Pass von Kingsley Coman im Abseits stand, zählte der wunderschöne Treffer aber nicht.
Nicht nur aufgrund seiner starken Leistung beim 3:0-Erfolg gegen Freiburg ist Thomas Tuchel voll des Lobes für seinen Schützling: Er kann Gegner dominieren, den Unterschied machen und das macht er auch. Er ist herausragend talentiert und hat die physischen Fähigkeiten dafür. Er ist eine Maschine", adelt Tuchel Sané. Eine regelrechte Eismaschine ist der Linksfuß mittlerweile vor dem gegnerischen Tor: Der 27 Jahre alte Offensivspieler verwertete in dieser Bundesliga-Saison seine fünf Großchancen alle zu Toren. Vergangene Saison vergab er noch 15 (!) seiner 16 Großchancen.
Seine sechs Treffer 2023/24 bedeuten bereits jetzt einen persönlichen Hinrunden-Rekord. Zum Saison-Rekord is es auch nicht mehr weit: Sané traf bislang nie öfter als acht Mal in der Bundesliga. Die Nummer 10 des FCB ist ein steter Gefahrenherd, gab bislang bereits 24 Torschüsse ab. Nur Kane hatte bislang mehr (26). Seine 38 direkte Beteiligungen an Abschlüssen auf das gegnerische Tor sind bei den Bayern zudem unübertroffen, in der Bundesliga haben nur drei Spieler mehr in dieser Kategorie zu bieten.
Sané und Kane verstehen sich auf dem Platz blind: Das war nicht nur beim Führungstreffer gegen Freiburg zu sehen, sondern direkt am ersten Spieltag: Kane war es, der in seiner ersten Bundesliga-Partie einen tollen, hohen Steckpass hinter die Bremer Kette spielte und so Sané auf die Reise zum ersten Tor der Bundesliga-Saison 2023/24 schickte. Weil Kane im Angriffsspiel gerne aus dem Mittelfeld agiert und dort Spielzüge der Bayern initiiert, schafft der Engländer durch Bindung eines oder mehrerer Gegenspieler Räume im Angriffsdrittel – perfekt für Speedster wie Sané, Coman oder auch Serge Gnabry und Jamal Musiala.
Die Bayern haben mit 23 Treffern zusammen mit Tabellenführer Bayer 04 Leverkusen die meisten Tore auf dem Konto. Das sind vier FCB-Buden mehr als zum selben Zeitpunkt der Vorsaison. Die 142 Torschüsse von Kane, Sané und Co. sind 2023/24 ebenfalls unübertroffen. Erstmals seit sieben Jahren gab es für den Rekordmeister keine Niederlage an den ersten sieben Spieltagen. Zuletzt gelang dies 2016/17 unter Carlo Ancelotti. Zudem: Die beiden Remis neben den fünf souveränen Siegen gab es gegen die Spitzenteams Leverkusen und Leipzig.
Und daran hat auch Leroy Sané einen gehörigen Anteil. Und natürlich Trainer Tuchel, der dem Flügelspieler schnell sein Vertrauen schenkte und ihm direkt bei seinem ersten Training als FCB-Coach mehrmals herzte und auch einen libevollen Klaps auf den Hintern gab. "Wir haben einen guten Draht zueinander", konstatierte Tuchel nach dem Erfolg gegen Freiburg und hat im Gegensatz zu Thomas Müller einen Grund für Sanés Leistungsexplosion: "Wenn er ruhig ist, klar ist, Freude hat, sich nicht ablenken lässt, dann sieht man ihm das an." Das persönliche Wohlempfinden ist für Sanés Leistung auf dem Rasen entscheidend.
Als die Bayern den Offensivspieler im Sommer 2020 verpflichteten, hob der damalige Vorstandsvorsitzende des Rekordmeisters, Oliver Kahn, Sané auf eine Ebene mit bayerischen Fußball-Legenden: "Es ging nach der Ära Ribéry und Robben darum, wieder erstklassige Spieler auf die Flügel zu bekommen, die wie Leroy den Unterschied in den entscheidenden Momenten ausmachen." In dieser Saison kommt Sané absolut an diese Granden heran, zeigt sich filigran dribbelnd wie der französische Filou Ribéry und schussstark, gar eiskalt im Abschluss wie Robben. Eine fußballerische Maschine, die von Tuchel gut geölt zum Leistungs- und Hoffnungsträger der Bayern werden kann. Eine Rolle, die der DFB für die Heim-EM im kommenden Jahr ebenfalls noch zu besetzen hätte. Dass Sané diese auch ausfüllt, würde mittlerweile niemanden mehr überraschen.
Patrick Dirrigl