Bundesliga
Frank Rost hat mehr Bundesliga-Spiele als Franz Beckenbauer auf dem Buckel und galt als einer der besten Torhüter seiner Generation. Seit elf Jahren züchtet der vierfache Nationalspieler Sportpferde. In unserer "Nachspielzeit" verrät er, welche Gemeinsamkeiten Spitzenfußball und -pferde haben und was Rafael van der Vaart damit zu tun hat.
In der Serie "Nachspielzeit" sprechen Bundesliga-Legenden jeden Freitag über ihr Leben nach dem Fußball.
Frank Rost, wie geht es Libuda?
Frank Rost: Libuda geht es sehr gut. Er hat eine tolle neue Besitzerin gefunden, die sich um ihn kümmert und ihn pflegt.
Libuda, das sollte man vielleicht verraten, ist ein Wallach aus der Reitpferderasse Hannoveraner, den Sie und Ihre Frau Felicitas auf der gemeinsamen Reitanlage "FF Horses" ausgebildet haben. Haben Sie den tatsächlich nach der Gelsenkirchener Fußballlegende Reinhard "Stan" Libuda benannt?
Richtig geraten. Meine Verbundenheit zum Fußball kann ich natürlich auch als Pferdezüchter nicht leugnen. Einen anderen Hengst haben wir Van der Vaart genannt.
Ihre Reitanlage betreiben Sie seit nunmehr elf Jahren. Wann sind Sie das erste Mal mit Pferden in Kontakt gekommen?
Als ich mit 13 in das Nachwuchsleistungszentrum von Lokomotive Leipzig wechselte, stand auf unserem Stundenplan auch das therapeutische Reiten. In der DDR hat man damals viel von sogenannten Ausgleichssportarten gehalten. Ich muss allerdings zugeben, dass ich etwas Bammel hatte, als ich das erste Mal auf einem Pferderücken saß. Als ich Jahre später zu Werder Bremen wechselte, lernte ich Springreiter kennen, die ihrerseits Fußballfans waren. Es dauerte nicht lange, bis ich mir eigene Pferde anschaffte.
"Mentale Stärke ist auch im Pferdesport entscheidend"
Heute dürfte die Arbeit mit Pferden Ihr täglich Brot sein.
Es gab seitdem nur wenige Tage, an denen ich kein Pferd gesehen habe. Die Arbeit ist mein Leben geworden und meine Frau und ich lieben dieses Leben.
Gibt es Parallelen zwischen Pferdesport und Leistungsfußball?
Durchaus! Wie beim Fußball gibt es auch bei den Pferden viele großartige Talente, die den Sprung nach ganz oben am Ende nicht schaffen. Top-Pferden sieht man als Fohlen nicht an, dass sie mal so ein Level erreichen werden. Dazu braucht es vor allem sehr viel Ausdauer und Robustheit: physisch wie psychisch. Mentale Stärke ist auch im Pferdesport entscheidend. Gute Pferde liefern dann ab, wenn es von ihnen verlangt wird, sie brauchen – wie im Fußball – die richtige Einstellung.
Sie sprachen von Ihrer Ausbildung in der ehemaligen DDR. Wann beginnt man bei Pferden mit dem Training?
In den ersten drei Jahren wachsen sie im Herdenverband auf der Weide auf. Dann werden sie untersucht und schließlich wird entschieden, ob man sie zu Sportpferden ausbildet. Nach erfolgreicher Ausbildung werden sie verkauft. Die Preise sind dabei sehr unterschiedlich. Wieder eine Ähnlichkeit zum Fußball: Manchmal finanziert ein Pferd das andere mit.
Was kommt dem Pferdezüchter Frank Rost heute zugute, was den Fußballprofi Frank Rost einst ausgemacht hat?
Auf mich kann man sich verlassen, das war bei all meinen Schwächen und Fehlern schon immer eine meine Stärken und hilft mir auch bei der Arbeit mit den Tieren. Die anerzogene Disziplin als Leistungssportler sorgt dafür, dass ich heute jeden Tag früh aufstehe und voll durchziehe, selbst wenn man an einem nasskalten dunklen Novembermorgen den Stall ausmisten muss.
Wer mit Tieren arbeitet, der muss das zu 100 Prozent tun – wie im Profifußball. Der Vorteil bei meiner heutigen Tätigkeit: Bei der Arbeit mit Pferden lernt man sehr viel über sich selbst.
"Pferde darf man nicht anschreien"
Das da wäre?
Ich habe es in meiner Karriere oft mit dem Kopf durch die Wand versucht. Das geht mit Pferden nicht, da zählen Fähigkeiten wie Ruhe und Geduld. Pferde darf man nicht anschreien, da braucht es ruhigere Kommunikationsformen. Auf dem Platz war das häufig anders. Darüber hinaus ist diese Arbeit ein ständiger Lernprozess. Die ersten Pferde wurden vor knapp 4000 Jahren domestiziert und jeden Tag lernt man wieder etwas Neues über diese wunderbaren Tiere.
Sie waren nach Ihrer aktiven Karriere im Trainerteam der HSV-Frauen aktiv und 2013 für einige Wochen Geschäftsführer bei den Handballern vom HSV. Warum haben Sie sich aus dem Leistungssport zurückgezogen?
Das hatte verschiedene Gründe. Ich bin mit Persönlichkeiten wie Willi Lemke, Uli Hoeneß oder Rudi Assauer sozialisiert worden – Menschen, die für ihre Clubs gelebt haben und danach auch Entscheidungen trafen. Im heutigen Profifußball ist vieles austauschbarer geworden.
Sehen Sie sich an, wie die Einzigartigkeit der Karriere von Thomas Müller bewundert wird. Zu meiner Zeit gab es noch deutlich mehr Spieler, die so lange bei nur einem Verein aktiv waren. Heute ist das sehr selten. So ist nun mal die Entwicklung. Ich fühle mich bei den Pferden wohler.
"Ich wurde durch Zufall Zeuge einer lebensbedrohlichen Situation"
Was macht Sie glücklich bei Ihrer Tätigkeit auf dem eigenen Reiterhof?
Vor einiger Zeit kam ich mittags in den Stall und wurde durch Zufall Zeuge, wie bei einer unserer trächtigen Stuten bereits ein Bein des Fohlens herausschaute, eine lebensgefährliche Situation. Normalerweise werden Pferde in der Nacht geboren, hier war es anders. Ich musste das Bein zurückschieben und dann bei der Geburt helfen.
Wenn ich heute dieses Pferd sehe, denke ich jedes Mal daran, wie toll es sich entwickelt hat und dass es vermutlich gestorben wäre, wenn ich in diesem Moment nicht da gewesen wäre. Uns beide verbindet eine besondere Beziehung, die kommt schon angelaufen, wenn ich mit dem Auto auf den Hof fahre. Pferde sind wie ein Spiegel deiner Handlungen: Sie zeigen dir ganz genau, ob du es richtig oder falsch machst. Es oft richtig zu machen und dafür belohnt zu werden, macht mich glücklich.
Und in Ihren 20 Jahren als Fußballer? Was hat Ihnen da Befriedigung verschafft?
Als Leistungssportler ist man ja nie ganz zufrieden, aber mich macht es stolz, dass ich mit den besten Fußballern meiner Generation spielen durfte. Ich habe vier Länderspiele gemacht und jedes davon ist mir wichtig. Weil sie der handfeste Beweis dafür sind, dass ich mal zu den besten Torhütern des Landes gezählt habe. Und das fast ein Jahrzehnt lang.
Besonders in Erinnerung geblieben ist natürlich das DFB-Pokalfinale 1999 mit Werder Bremen gegen die Bayern, als ich im Elfmeterschießen erst selbst verwandelte und dann den entscheidenden Schuss von Lothar Matthäus parieren konnte. Im vergangenen Jahr war ich zur 25-Jahre-Feier dieses Pokaltriumphes eingeladen, bis auf Rafael Wicky waren alle aus dem damaligen Kader dabei. Eine super Truppe, tolle Jungs. Unvergessen ist für mich auch der letzte Spieltag der Saison 2006/07.
In der Hinrunde hatten Sie noch für Schalke 04 gespielt, waren dort aber von Trainer Mirko Slomka durch den damals 20-jährigen Manuel Neuer ersetzt worden und wechselten in der Winterpause zum Hamburger SV.
Der zu diesem Zeitpunkt auf dem letzten Tabellenplatz stand. In der Rückrunde holten wir mit mir im Tor 32 Punkte und qualifizierten uns als Tabellensiebter noch für den UI-Cup. Als ich am 34. Spieltag gegen Alemannia Aachen beim Stand von 3:0 zehn Minuten vor dem Ende ausgewechselt wurde, bekam ich von den Zuschauern Standing Ovations. Für mich fühlte sich das in diesem Moment an, als wenn ich gerade die Deutsche Meisterschaft gewonnen hätte.
Interview: Alex Raack
In der "Nachspielzeit" sind bisher erschienen:
Markus Babbel: "Ich will in Wacken auflegen"
Jimmy Hartwig: "Bertold Brecht? Wo hat der denn gespielt?"