Bundesliga
Frank Schmidt ist mit dem 1. FC Heidenheim nach dem 2. Spieltag Tabellenführer der Bundesliga. Übernommen hatte der 50-Jährige den Verein vor beinahe 17 Jahren noch in der fünftklassigen Oberliga. Ein unfassbarer Werdegang!
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Es liest sich wie ein Märchen, ist nach dem 2. Spieltag und einem fulminanten 4:0-Erfolg über den FC Augsburg aber Realität: Der 1. FC Heidenheim 1846 ist Tabellenführer der Fußball-Bundesliga und damit seit Gründung der Liga 1963 der 35. Verein, der mindestens einmal von der Spitze grüßen darf. Zu verdanken hat der FCH das auch einem Mann, der an der Brenz mittlerweile seit fast 17 Jahren als Cheftrainer arbeitet und den Verein damals noch in der Oberliga (!) übernahm: Frank Schmidt.
Der 50-Jährige, dessen Sport-Biographie bezeichnenderweise "Unkaputtbar" heißt, ist schon längst dienstältester deutscher Profi-Trainer. Beim Spiel gegen den FCA war Schmidt seit 6194 Tagen im Amt und lässt Legenden wie Volker Finke (Platz zwei, 5843 Tage), Otto Rehhagel (Platz drei, 5202 Tage) oder Thomas Schaaf (Platz vier, 5119 Tage) mittlerweile klar hinter sich.
2007 hatte Schmidt, der zuvor unter anderem für Greuther Fürth, Alemannia Aachen und den FCH-Mutterverein Heidenheimer SB die Fußballschuhe geschnürt hatte, seine Spielerkarriere beendet. Insgesamt war Schmidt 15 Jahre als Profi aktiv. Eigentlich hatte er seiner Familie ein Versprechen abgegeben, von nun an samstags den Rasen zu mähen. Doch daraus wurde nichts.
Nach der Abspaltung vom Heidenheimer SB wurde Dieter Märkle am 17. September 2007 als Cheftrainer entlassen und Schmidt erhielt als Interimstrainer einen Vertrag bis zur Winterpause. "Mach mal zwei Spiele, wir müssen einen neuen Trainer suchen", hieß es laut Schmidt damals vonseiten des Clubchefs Holger Sanwald. Seine erste Partie gewann er 2:1 gegen Normannia Gmünd, das zweite mit 9:1 gegen den VfL Kirchheim - Schmidts höchster Sieg als Chefcoach der Schwaben. "Mach mal weiter", wurde Schmidt daraufhin gebeten. Herausgekommen sind nun fast 17 Jahre 1. FC Heidenheim.
Begonnen in der Oberliga hatte sich Heidenheim mit Trainer-Urgestein Schmidt für die viertklassige Regionalliga qualifiziert, ehe in der Saison 2008/2009 als Meister der Aufstieg in die 3. Liga gelungen war. Parallel zu seinem Job als Drittliga-Trainer erwarb Schmidt die Fußballlehrer-Lizenz. Ursprünglich hatte der unweit des Heidenheimer Stadions geborene Schmidt ganz andere Pläne, wollte nach einer Lehre als Bankkaufmann und der Spielerkarriere im Versicherungsbüro eines Freundes anfangen.
Doch die Schmidt-Ära ging weiter - und zwar sehr erfolgreich: 2014 führte er seinen Herzensclub erneut zur Meisterschaft und stieg erstmals in die 2. Bundesliga auf. Der Vertrag mit dem feinfühligen und sympathischen Trainer wurde ein weiteres Mal verlängert - erst bis 2020 und dann 2018 vorzeitig bis 2023. Am Ende der Saison 2019/2020 wäre der große Coup, Aufstieg in die Bundesliga, fast schon gelungen. In der Relegation scheiterte der FCH aber an Bundesligist Bremen. Sanwald und die Führungsebene der Heidenheimer hatten Schmidt ein weiteres Mal das Vertrauen ausgesprochen und nach neun Spieltagen der Saison 2021/22 seinen Vertrag vorzeitig bis Sommer 2027 ausgedehnt.
Heidenheim und Schmidt ackerten also weiter für den großen Traum des "Dorfclubs" mit seinen rund 50.000 Einwohnern. Am Ende der Saison 2022/23 hieß es dann aus FCH-Sicht endlich: "Der 1. FC Heidenheim 1846 steigt in die Bundesliga auf". Nach einem dramatischen Finish gegen den SSV Jahn Regensburg und dem Siegtor in der 9. Minute der Nachspielzeit durch Tim Kleindienst war das Werk von Schmidt und Heidenheim am 28. Mai 2023 vollbracht.
"Wir geben halt nie auf und deswegen ein Riesenkompliment an meine Mannschaft, die unkaputtbar ist. Ich möchte auch gar nicht mehr so viel zum Spiel sagen. Das war ein unfassbarer Moment", sagte damals ein überglücklicher Frank Schmidt, der selbst nach einer Bierdusche nicht die Fassung verlor und sich bei dem in diesem Moment abgestiegenen Jahn Regensburg für die Möglichkeit, in dessen Stadion ausgelassen feiern zu dürfen, aufrichtig bedankte.
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Menschlich wie fachlich zählt Schmidt zu den ganz Großen seiner Zunft. In der 2. Bundesliga ist Schmidt zur Institution geworden: 306 Zweitligaspiele saß Frank Schmidt auf der Heidenheimer Trainerbank - das war die größte Zweitliga-Erfahrung unter den 18 Zweitliga-Trainern am Saison-Ende 2022/23. In neun Zweitliga-Jahren gab es für Schmidt und Heidenheim deutlich mehr Siege (125), als Niederlagen (97). Schmidt konnte auch mehr Tore (443) bejubeln, als er sich über Gegentore (390) ärgern musste. Der FCH war nach Punkten (459) und Toren der erfolgreichste Zweitligaklub dieser neun Jahre (jeweils vor dem FC St. Pauli).
Aber damit nicht genug, in der Bundesliga wusste der 1. FC Heidenheim seine Erfolgsgeschichte nahtlos weiterzuschreiben. Bereits nach der Hinrunde der Premierensaison belegten die baden-württemberger den neunten Tabellenplatz mit einem Vorsprung von zehn Zählern auf den Relegationsrang. Aus den Spielen gegen den Vizemeister Borussia Dortmund ging Schmidts Truppe zweimal mit einem Remis heraus und mit dem 3:2-Erfolg über den FC Bayern München gelang den Heidenheimern am 28. Spieltag sogar ein echter Coup. Am Ende stand Platz acht und die sensationelle Qualifikation für die Conference-League, in deren Gruppenphase es nun unter anderem gegen den FC Chelsea geht.
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Trotz der Abgänge von Top-Torjäger Tim Kleindienst (zu Borussia Mönchengladbach) und dem besten Vorlagengeber Jan-Niklas Beste (zu Benfica Lissabon) startete Heidenheim dabei perfekt in die Spielzeit, gewann seine ersten fünf Pflichtspiele und setzt sich nach der zweiten Spielrunde mit sechs Punkten und 6:0 Toren an die Tabellenspitze. Und Frank Schmidt? Der bleibt mal wieder mit beiden Füßen auf dem Boden und hat zunächst mal weiterhin nur den Klassenerhalt als primäres Ziel im Blick. "Was die Mannschaft geschafft hat, ist was Besonderes. Wir haben 15 Prozent der Punkte, die wir am Ende brauchen. Wir genießen jetzt den Moment. Die Mannschaft funktioniert und das ist mometan das Entscheidende", so der 50-Jährige nach dem historischen Sprung auf Platz eins. Die Fortsetzung des realen Märchens, sie folgt.