Bundesliga
Ein alter Bekannter ist zurück bei Hertha BSC: Pal Dardai übernimmt das Amt des Chef-Trainers bei den Berlinern – zum dritten Mal. Der Ungar hat Erfahrungen im Abstiegskampf und soll die Hertha erneut retten.
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"Also die Zigarre habe ich mir glaube ich verdient", sagte Pal Dardai im Mai 2021. Genüsslich zog die Legende von Hertha BSC immer wieder daran, während er im aktuellen sportstudio des ZDF interviewt wurde. Mit einem 0:0 gegen den 1. FC Köln hatte der Coach wenige Stunden zuvor am 33. Spieltag der Saison 2020/21 den Klassenverbleib mit seinem Club, der Hertha, eingetütet.
"Es war die schwierigste Aufgabe meines Lebens. Ich lebe im Westend, ich habe einen guten Namen hier in der Stadt, ein gutes Image. Ich wollte das nicht verlieren. Wären wir abgestiegen, wäre mein Herz kaputt gegangen", sagte der Ungar, der einst selbst im defensiven Mittelfeld für die Hertha agierte und 286 Bundesliga-Spiele für die "Alte Dame" absolvierte, vor knapp zwei Jahren.
Als Dardai, der bereits 2015 während der Saison übernahm und die Hertha von Platz 17 aus erfolgreich zum Klassenverbleib führte, 2021 zum zweiten Mal das Ruder bei den Profis übernahm, standen die Hauptstädter nach 18 Spieltagen mit 17 Punkten auf Platz 14. Dem Bundesliga-Rekordspieler der Hertha blieben also 16 Partien, um nicht als Absteiger zu enden. Mit einer Serie von acht ungeschlagenen Spielen zwischen dem 26. und 33. Spieltag gelang dies äußerst souverän.
Nun, knapp zwei Jahre später, ist Dardai zum dritten Mal Chef-Trainer von Hertha BSC. Wieder soll der 47 Jahre alte ehemalige ungarische Nationalspieler seinen Herzensverein vor dem Abstieg bewahren. Bei noch sechs ausstehenden Spielen, der Roten Laterne und fünf Punkten Rückstand auf den ersten Nicht-Abstiegsplatz scheint die Aufgabe nun sogar noch schwerer zu sein als 2021. "Alle sagen, es wäre nicht mehr möglich. Aber es ist meine Verantwortung, dass die Mannschaft in der Liga bleibt", sagte Dardai bei seiner Antritts-Pressekonferenz, seiner dritten beim Hauptstadt-Club als Coach.
"Zwei Mal habe ich den Klassenerhalt schon geschafft. Alles ist noch in unserer Hand, es sind noch sechs Spieltage. Die Spieler brauchen Kraft und Energie. Wir brauchen die Mentalität, müssen positiv bleiben", gibt sich der Trainer kämpferisch. Warum tut sich Dardai nun schon zum dritten Mal den Abstiegskampf mit Hertha BSC an? "Dieser Verein ist wichtig für mich, meine Söhne spielen hier. Ihre Mitspieler sind Familie für mich."
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Nachdem Dardai die Hertha 2021 rettete, blieb er über die Saison hinaus Trainer, musste dann nach 13 Spieltagen in der vergangenen Saison als Vierzehnter wieder gehen. "Danach habe ich für mich gesagt: 'Ich bin jetzt Rentner'", sagte der Coach süffisant. "Ich habe erst gedacht, ich werde wahnsinnig, so ganz ohne Arbeit – aber nach zwei Wochen war alles wieder gut. Auch Freunde von mir sagen, dass ich jetzt ein ganz anderer Mensch bin", erzählte der Coach, der vor allem den in der Zeit angeschafften Familien-Hund, einen Maltipoo – eine Kreuzung aus Pudel und Malteser – dafür verantwortlich macht.
Das Go für die dritte Amtszeit hatte sich Dardai bei seiner Frau Monika ("Sie hat zu Hause ganz klar die Hosen an") geholt – auch, wenn die ehemalige Handball-Nationalspielerin Ungarns sich nun hauptsächlich alleine um den kleinen, flauschigen Maltipoo kümmern müsse. Privat sei Dardai "ganz nett, glaube ich", als Trainer beschreibt er sich aber als "unangenehm". Um locker in die nächsten wichtigen und ernsten Wochen zu starten, werde am Montag erst mal Fußball-Tennis gespielt. "Die Spieler brauchen Kraft und Energie. Wir brauchen die Mentalität, müssen positiv bleiben." Vor allem mit vielen Einzelgesprächen will sich der erfahrene Trainer einen Überblick über das Innenleben der Spieler holen und diese bestärken, wieder aufpäppeln.
Und warum wollte die Hertha Dardai trotz zweier Entlassungen zuvor wieder zurück auf dem Chefsessel haben? "Wir sind jetzt auf Platz 18 und wir wollen und müssen alles für den Klassenerhalt tun. Wir freuen uns umso mehr, dass wir Pal in dieser Situation gewinnen konnten. Er kennt hier jeden Grashalm, er kennt die Mannschaft. Wir alle kennen ihn gut", erklärte Benjamin Weber, der Sportdirektor der Hertha. "Das waren die ausschlaggebende Punkte: Er braucht keine Einarbeitungszeit, er kann uns sofort helfen", ist sich Weber sicher.
"Pal war unsere absolute Wunschlösung, wir sind froh, dass er direkt zugesagt hat. Keiner steht so für den Berliner Weg wie Pal Dardai", ist Weber voll des Lobes über die Mittelfeld-Legende.
Der Berliner Weg war es immer, und so soll es in den kommenden Jahren wieder sein, dass aus der guten Nachwuchs-Akademie immer wieder Talente nach oben in die erste Mannschaft geführt werden. Prominente Beispiele dafür sind unter anderem die Kovac-Brüder Niko und Robert, oder auch die Boateng-Brüder Jerome und Kevin-Prince, der seit vergangener Saison wieder für die Hertha kickt. Dardais eigener Plan war es eigentlich auch, im Sommer in die Akademie zurückzukehren und dort weiter den Unterbau der Hertha zu formen. Als Co-Trainer wurde er in seinem ersten Jahr an der Seitenlinie direkt deutscher U17-Meister mit Hertha, zudem coachte er schon die U13 und auch die U16 als Chef.
Nach seiner ersten Amtszeit als Chef der A-Mannschaft agierte Dardai, der zwischen September 2014 und Juli 2015 auch Nationaltrainer Ungarns war, ein halbes Jahr als Koordinator Talentförderung. Dardai lebt und atmet Fußball: Sein Vater Pal war bereits Profikicker, seine drei Söhne Palko (aktuell bei Fehervar unter Vertrag), Marton (Stammspieler bei der Hertha in der Bundesliga) und Bence (U19 bei der Hertha, U17 Nationalspieler Deutschlands) haben den Fußball ebenso verinnerlicht wie Pal senior und junior.
Dardai atmet, lebt und liebt aber vor allem auch die Hertha, macht sich rund um die Uhr Gedanken um den – seinen – Verein. "Eigentlich war der Plan, dass ich zurück in die Akademie gehe. Dann aber kam der Anruf, dass ich wieder übernehmen soll. Die A-Mannschaft muss sexy sein, damit die tollen Jugendspieler bei der Hertha bleiben." Dafür müsse man auf jeden Fall in der Bundesliga bleiben.
Was hat sich seit Dardais letzter Amtszeit verändert – und vor allem: Was muss im Endspurt alles angepackt werden? "Als ich ging, war es in der Kabine noch ein wenig ungemütlich. Jetzt ist es eine richtige Wohlfühl-Oase", sagte der Coach nicht ganz unkritisch bei seiner dritten Vorstellung. Die Arbeit gegen den Ball müsse auf dem Platz deutlich verbessert werden, auch bei Standards. "Unter Felix Magath waren in der vergangenen Saison Standards sehr gut und wichtig, dank ihnen ist man in der Bundesliga geblieben", wusste Dardai, der aber noch anmerkte, dass wichtige Verteidiger und offensive Zielspieler für Standards wie Niklas Stark oder Dedryck Boyata im Sommer abgegeben wurden.
"Es zählen nur Ergebnisse, Ergebnisse, Ergebnisse. Wir müssen hart arbeiten, viel tun", kündigte Dardai an. Der Coach, der Mentalität und Aggressivität von seinen Spielern einfordert und bei seinen Amtszeiten zuvor mit der konsequenten Arbeit gegen den Ball und zielgerichtetem offensiven Umschalt-Fußball agieren ließ, war der letzte Hertha-Trainer, der es mit dem ambitionierten Hauptstadt-Club ins internationale Geschäft, in die Europa-League-Qualifikation, geschafft hat (2015). Davon wollte Dardai am Montag aber nichts mehr wissen, sechs bis acht Spiele (Relegation) müsse nun fokussiert gearbeitet werden.
Eine Frage bei der Pressekonferenz am Montag brachte Dardai deutlich zum Grinsen, sie war an Sportdirektor Weber neben ihm gerichtet: "Haben Sie sich denn schon nach einem geeigneten Zigarrenladen erkundigt?"
Patrick Dirrigl