60 Jahre Bundesliga
Anfang des Jahrtausends war Markus Babbel einer der besten Abwehrspieler Europas. Mit dem FC Liverpool gewann er fünf Titel in einer Saison, mit dem FC Bayern verlor er das legendäre Champions-League-Finale gegen Manchester United. Heute arbeitet er als TV-Experte fürs Fernsehen, ist eine Instagram-Kultfigur und pflegt als DJ seine Liebe für harte Rockmusik. Hier verrät er, welchen Anteil sein großer Bruder daran hatte und wie er sich einst mit Thomas Häßler betrank.
In der Serie "Nachspielzeit" sprechen ehemalige Bundesliga-Legenden jeden Freitag über ihr Leben nach dem Fußball.
Markus Babbel, Sie sind in den siebziger und achtziger Jahren im Umland von München aufgewachsen. Wie wird man dort zum Fan von Metal- und Hardrockmusik?
Markus Babbel: Bei uns zu Hause lief Bayern 1 im Radio, Volksmusik und Schlager, das volle Programm. Zum Glück hatte ich einen älteren Bruder, der mich mit anständiger Musik versorgte. Über ihn lernte ich "Iron Maiden" kennen, die "Scorpions", "Metallica". Für mich gab es nichts Cooleres, als wenn mir mein Bruder seine neuesten Scheiben vorspielte.
Wie kamen Ihre Eltern damit klar?
Babbel: Für die war das natürlich eine Welt, die sie nicht verstanden. Vielleicht war die Musik unsere Form von Protest und jugendlicher Revolution. Ansonsten waren wir nämlich ziemlich brave Buben. Der Freitagabend war mir heilig, weil dort auf Bayern 3 die Hitparade gespielt wurde und ich mit einem Kassettenrecorder daneben saß, um die großen Hits der Achtziger aufzunehmen.
"Harter Rock hat mir in dieser schlimmen Zeit Trost gespendet"
Wenn man damals mit einem brandneuen Mixtape zur Schule kam, war man der King. Umso schlimmer war es, wenn mitten hinein in einen guten Song Verkehrshinweise eingespielt wurden, weil mal wieder ein Falschfahrer auf der A96 unterwegs war.
Video: Die fünf schönsten Tore von Markus Babbel
Heute reicht ein abonnierter Streamingdienst, um nahezu jede Musik abspielen zu können. Wie kamen Sie an Ihre Lieblingsmusik?
Babbel: Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mit 20 Mark in der Tasche in den Plattenladen gegangen bin, um mir dort ganz genau zu überlegen, wie ich dieses Geld investieren würde. Nur eine Maxi-Single oder doch ein ganzes Album? Wegen der geringen Verfügbarkeit musste man sich damals viel intensiver mit der Musik beschäftigen und war ich mein Geld dann losgeworden, habe ich den Song oder das Album bestimmt viele hundert Male abgespielt, damit es sich auch wirklich lohnte.
"Beim Abflug zur EM hatte ich einen Mordskater"
Sie waren 16, als sich Ihr großer Bruder das Leben nahm. Mit welcher Musik haben Sie sich ablenken können?
Babbel: Von Rock- und Metallbands stammen ja die größten Balladen aller Zeiten, da kommt kein Ed Sheeran dieser Welt ran. Gleichzeitig hat mich harter Rock immer sehr beruhigt, das ist auch noch heute so. Das hat mir in dieser schlimmen Zeit sicherlich Trost gespendet.
1991 erhielten Sie Ihren ersten Profivertrag beim FC Bayern, der Durchbruch in der Bundesliga gelang Ihnen allerdings als Leihspieler beim Hamburger SV. Welche Rolle spielte Musik damals in der Kabine?
Babbel: Einer der großen Stars beim HSV zu meiner Zeit war Thomas von Heesen, 1983 Europapokalsieger. Den konnte ich für eine meiner favorisierten Bands gewinnen: die Psychedelic Rocker von "Sisters of Merc". Das fand ich natürlich überragend, dass sich Thommy für meine Musik interessierte.
"Nach dem Finale gegen Manchester tanzte ich mit Matthäus und Basler auf den Tischen"
Noch besser wurde es nur im Sommer 1996. Den letzten Abend vor dem Abflug zur Europameisterschaft nach England verbrachten wir in einem Hotel in Frankfurt. Weil Thomas Häßler wusste, dass ich mich wie er sehr für Musik begeisterte, fragte er mich irgendwann, ob wir uns nicht in eine Suite verziehen wollten, um ein wenig Musik zu hören. Und so saß ich da mit dem Weltmeister von 1990, rauchte Zigaretten, trank zu viel Weißbier und drehte die Boxen voll auf. Ich war im siebten Himmel! Am nächsten Morgen hatte ich einen Mordskater, während "Icke" das locker weggesteckt hatte. Den Flug nach England überstand ich nur mit Unterstützung unserer medizinischen Abteilung… (lacht)
1999 waren Sie Teil der Bayern-Mannschaft, die das denkwürdige Champions-League-Finale gegen Manchester United verlor. Können Sie noch daran erinnern, was vor dem Endspiel im Camp Nou für ein Song gespielt wurde?
Babbel: War das nicht "Skandal im Sperrbezirk" von der "Spider Murphy Gang"?
Korrekt. Die Bayern-Fans hatten sich das Lied vom Skandal um Rosi gewünscht.
Babbel: Die "Neue Deutsche Welle" war damals auch ziemlich angesagt und scheint es ja beim Fußball auch heute noch zu sein, wenn man die Renaissance von "Major Tom" während der EM 2024 betrachtet.
"Es melden sich regelmäßig Bands bei mir, ob ich sie vorstellen kann"
Innerhalb von 102 Sekunden verloren Sie den schon sicher geglaubten Titel. Eines der größten Dramen der Fußball-Geschichte. Und trotzdem soll die Party danach legendär gewesen sein.
Babbel: War sie auch. Gemeinsam mit Lothar Matthäus und Mario Basler tanzte ich auf den Tischen, das war eine der besten Partys meiner Karriere. Der Soundtrack des Abends stammte übrigens von Lou Bega: "Mambo No. 5".
Seit ein paar Jahren melden Sie sich einmal in der Woche per Instagram-Video zum "Musicfriday", wo Sie mit alten Fußballtrikots geschmückt einen musikalischen Tipp präsentieren. Inzwischen hat sich um dieses Social-Media-Ritual ein gewisser Kult gebildet. Woher stammt diese Idee?
Babbel: Tatsächlich bin ich eine ziemliche Niete in Sachen soziale Medien und wollte während der Corona-Pandemie lediglich ein Video an meinen Freund Pat schicken. Allerdings habe ich das nicht per Nachricht versucht, sondern mit einem für alle sichtbaren öffentlichen Beitrag. Daraus hat sich dann der "Musicfriday" entwickelt und irgendwann stellte ich fest, dass sich doch einige Menschen für das interessierten, was ich da von mir gab.
"In diesem Jahr bin ich bereit für Wacken!"
Mittlerweile scheinen meine Beiträge auch einen gewissen Stellenwert in der Rock- und Metalszene zu haben, regelmäßig melden sich Musiker*innen und Bands bei mir und fragen an, ob ich sie in meinen Videos vorstellen könnte. Ich finde das großartig, weil ich dadurch erfahre, wie viele tolle Bands es in Deutschland gibt und mit welch geringem Aufwand ich diesen Bands dabei behilflich sein kann, noch bekannter zu werden. Außerdem bekomme ich nicht selten Merchandise zugeschickt und verfüge inzwischen über eine beeindruckende Sammlung an Band-T-Shirts. (lacht)
Seit einiger Zeit sind Sie neben Ihrer Tätigkeit als Fußball-Experte fürs Fernsehen auch als DJ gefragt. Wie kam es dazu?
Babbel: Das hat natürlich auch mit den Videos zu tun. Irgendwann kamen die ersten Anfragen und ich wagte den Sprung ins kalte Wasser. Das ist der Vorteil des Älterwerdens: Man macht sich viel weniger Gedanken darüber, ob man sich blamieren könnte. Glücklicherweise hat es meinem Publikum bislang immer ganz gut gefallen.
Ihr größter Auftritt?
Babbel: Vor circa 800 Menschen auf der "Weinheimer Kerwe", einem Sommerfest in meiner jetzigen Heimat. Das war schon eine große Gaudi.
Welche Ziele hat man als mehrfacher Deutscher Meister, zweifacher UEFA-Cup-Sieger und Europameister noch?
Babbel: Mein großer Traum wäre es, einmal auf dem Wacken-Festival auflegen zu dürfen. Ein-, zweimal bin ich in der Vergangenheit sogar gefragt worden, war da aber immer im Urlaub. In diesem Jahr ist alles geblockt, ich bin also bereit!
Zum Abschluss noch eine wichtige Frage: Ihre Top-Stadionsongs, bitte.
Babbel: "Enter Sandman" von "Metallica". "Guns N’ Roses" mit "Sweet Child o' Mine" oder "Paradise City". Und mein absoluter Favorit: "It´s a Long Way to the Top" von "AC/DC".
Interview: Alex Raack
In der "Nachspielzeit" sind bisher erschienen:
Frank Rost: "Wir haben einen Hengst 'Van der Vaart' genannt"
Jimmy Hartwig: "Bertold Brecht? Wo hat der denn gespielt?"
Uli Borowka: "Werde mein Leben lang gegen die Sucht kämpfen"