Bundesliga
Wenn am 12. Spieltag Borussia Dortmund und der FC Bayern aufeinandertreffen (Samstag, 18.30 Uhr), stehen zwei der interessantesten Trainer der Bundesliga an der Seitenlinie. bundesliga.de hat Vincent Kompany und Nuri Şahin vor dem Klassiker unter die Lupe genommen.
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Wenn selbst jemand aus dem gegnerischen Lager zu Lobeshymnen ansetzt, kann der neue Trainer des FC Bayern München, Vincent Kompany, in seiner ersten Hinrunde als Verantwortlicher nicht all zu viel falsch gemacht haben. Zwar war es nur der externe Berater von Borussia Dortmund, Matthias Sammer. Doch der TV-Experte schwärmte am Mikrofon bei Amazon Prime vom Neu-Trainer des Gegners am Samstag (Anpfiff 18.30 Uhr).
"Es hat sich viel geändert. Das spricht aber nicht gegen Thomas Tuchel oder die Vorgänger. Es ist eine Versachlichung hier eingetreten. Als 38-Jähriger führt er wie ein 65-Jähriger, wie ein Übervater mit den Merkmalen der Argumentation des Wesentlichen. Er lässt die Nebenkriegsschauplätze weg. Er hat geschafft, diese Mannschaft, diesen Verein zu vereinen", erklärte Sammer. Tatsächlich ist Vincent Kompany (38) nach Werder Bremens Ole Werner (36) der drittjüngste aktive Bundesligatrainer, hat beim RSC Anderlecht und vor allem beim FC Burnley schon einige Trainererfahrungen gesammelt. Der Klassiker am Samstag ist ein Trainerduell der nächsten Generation: Nuri Şahin ist mit 36 Jahren sogar der aktuell jüngste Coach, tut sich in seiner Premierensaison etwas schwerer. Nur zweimal in der Historie des Duells waren beide Verantwortlichen jünger als 40 Jahre. Zuletzt war das beim Aufeinandertreffen von Edin Terzic und Julian Nagelsmann der Fall. Für das erste Mal bedarf es einen Blick in die frühen 1970er (Horst Witzler gegen Udo Lattek).
Das Gästeteam hat unter Vincent Kompany einen Traumstart hingelegt. Der Belgier ist erst der vierte Trainer in der Bundesliga-Historie, der keines seiner ersten elf Bundesliga-Spiele verloren hat. Bislang gelang das nur Pep Guardiola (keine Niederlage in den ersten 28 Spielen), Karlheinz Feldkamp (14) und Klaus Toppmöller (11). Mit 29 von 33 möglichen Punkten und einer Tordifferenz von +29 legte Kompany sogar den besten Start eines Trainers bei einem Verein in der Bundesliga-Geschichte hin. Dementsprechend ist Kompanys Team mit sechs Zählern Vorsprung souveräner Tabellenführer. Auf Gegner Dortmund sind es bereits deren zehn Punkte.
Nuri Şahin, mit vielen Vorschusslorbeern gestartet, vermochte es bislang noch nicht, die auch diese Saison gezeigte leistungsmäßige Launenhaftigkeit seiner Mannschaft (Heim-Gast-Gefälle) zu beheben. Die Dortmunder gewannen in dieser Saison wettbewerbsübergreifend alle acht Heimspiele. Mit sechs Siegen aus sechs Spielen stehen sie auf Platz eins der Heimtabelle der Bundesliga. Auswärts hingegen gab es in der Bundesliga noch keinen Sieg und auch erst einen Punkt. Nur Tabellenschlusslicht Bochum holte in Auswärtsspielen noch gar keinen. Zu Hause erzielte der BVB im Schnitt drei Tore pro Partie, in der Fremde nicht mal eins (0,8). 19 Torschüsse waren es pro Partie in Dortmund, weniger als acht auf fremdem Platz. Dafür gab es in Auswärtsspielen fast dreimal so viele Gegentore (2,4) wie daheim (1,0). Dementsprechend ist Tabellenrang fünf erklärbar.
Trotz unterschiedlichem Erfolg bislang stehen beide Verantwortliche für einen ähnlichen Spielansatz. Kompany setzt ganz "Guardiola-like" totalen Ballbesitz-Fußball ein: von hinten aufbauen, dominant auftreten, viel verschieben, einrückende und hochstehende Außenverteidiger sowie ein mitspielender Torwart. Ähnlich versucht es Dortmund: Taktisch setzt Şahin auf Ballkontrolle, zu Beginn der Saison mit dem neuen Schlüsselspieler Pascal Groß in der Zentrale, zuletzt übernahm Felix Nmecha die Rolle des Strategen. Der BVB hat im Mittel nach Bayern den zweitmeisten Ballbesitz aller Teams in dieser Bundesliga-Saison (60 Prozent). Dortmund agiert unter Sahin in einem 4-5-1 (entweder mit zwei Sechsern und einem Zehner oder einem Sechser und zwei Achtern). Natürlich ist dabei Flexibilität erwünscht.
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Kompany gilt als Förderer von jungen Spielern und als guter Kommunikator (er spricht Deutsch, Englisch und Französisch), der ein enges Verhältnis zu seinen Spielern hat. Er gilt als besonnen, kann aber laut werden. Aus seiner Zeit in Anderlecht kursiert ein Video, in dem er seine Spieler mit einer Schimpftirade zusammenfaltet. Nuri Şahin heuerte zu Beginn des Jahres 2024 bei seinem Herzensverein Borussia Dortmund als Co-Trainer an und übernahm dann nach der vergangenen Saison den Cheftrainerposten von Edin Terzic. Er steht für ähnliche Werte wie sein Gegenüber. Im Gegensatz zu Kompany fährt Şahin eher nicht aus der Haut. Der mediale Umgang in einer Liga mit der größten Aufmerksamkeit ist für den ehemaligen türkischen Nationalspieler noch neu.
Für Bayern und den Trainer spricht: Unter Kompany gab es seit siebeneinhalb Stunden (450 Minuten) in der Bundesliga kein Gegentor mehr. Fünf Bundesliga-Spiele ohne Gegentor, wie aktuell, gab es zuletzt im Frühjahr 2017 unter Carlo Ancelotti. Sechs waren es zuletzt vor zehn Jahren unter Pep Guardiola. Was aber selbst der Spanier in seiner Bundesliga-Zeit nicht hinbekam: Die Bayern ließen an den ersten elf Spieltagen nur 54 Torschüsse zu (also im Schnitt nicht mal fünf pro Partie) - das ist absoluter Bestwert seit Beginn der Datenerfassung 1992/93. Kompany hat zudem die Laufleistung signifikant verbessert.
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Bayern legte in dieser Bundesliga-Saison im Schnitt 119,1 Kilometer zurück – das ist ligaweit der viertbeste Wert, für den Rekordmeister eine Bestmarke seit Erfassung dieser Daten (seit 2011/12) und eine enorme Steigerung gegenüber der Vorsaison. 2023/24 unter Thomas Tuchel waren es durchschnittlich 115,4 Kilometer – ligaweit Platz 18! Am vergangenen Spieltag gegen Augsburg, als spielerisch nicht alles klappen wollte, stemmte sich Bayern mit großem Einsatz gegen die Widerstände: Der Tabellenführer lief 124,9 Kilometer und stellte damit einen neuen Vereinsrekord seit der Saison 2011/12 auf! Dortmund läuft etwas weniger und hat dabei wie bei den Ergebnissen ebenfalls eine Diskrepanz zwischen Heim- und Auswärtsauftritten. Obwohl die Borussen zu Hause im Schnitt mehr Ballbesitz haben (63 Prozent) als auswärts (57), liefen sie zu Hause im Schnitt fast vier Kilometer mehr (116,1) als auswärts (112,5).
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Dennoch stärkte Sport-Geschäftsführer Lars Ricken seinem Trainer auf der Jahreshauptversammlung am vergangenen Wochenende den Rücken. "Wir vertrauen unserer Mannschaft und wir vertrauen unserem Trainer. Wir haben mit Nuri, glaube ich, einen Top-Trainer, der mit jedem Spiel und jeder schwierigen Situation zu einem noch besseren Trainer wird", sagte Ricken in Richtung Sahin. "Du stellst dich vor deine Mannschaft, du stellst dich vor deine Spieler, du bist selbstkritisch. Das ist ganz klar ein Weg, den wir gehen wollen."