Der Alleskönner der Adler

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"Was er da macht, ist eigentlich nicht normal", schwärmte FCB-Trainer Vincent Kompany nach dem furiosen 3:3-Unentschieden im Frankfurter Stadtwald von SGE-Überflieger Omar Marmoush. Eine Woche zuvor war auch Kiel-Coach Marcel Rapp nach einer 2:4-Niederlage der Störche voll des Lobes für den Angreifer: "Es ist schwer, solch einen Spieler im Zaum zu halten." Ein Spieler wie Marmoush finde immer Wege, sich durchzusetzen, erklärte Rapp. Und genau das hat der Offensivspieler in den jüngsten Wochen und Monaten immer wieder bewiesen. 

In dem vergangenen Jahrzehnt hat die Eintracht zahlreichen Top-Stürmern eine Bühne geboten, sich für höhere Aufgaben zu beweisen. Ob in der näheren Vergangenheit Luka Jović, Sébastien Haller, Randal Kolo Muani und André Silva oder in den Neunzigern Stürmer wie Jay-Jay Okocha und Anthony Yeboah - viele Angreifer haben die Chance genutzt. Marmoush könnte der nächste Superstar in dieser illustren Runde werden.

Doch für den 25-Jährigen war erst einmal eine gehörige Portion Geduld angesagt, um auf Höchstform zu kommen. Nach Stationen beim VfL Wolfsburg, dem FC St. Pauli und dem VfB Stuttgart hat der Ägypter endlich seinen Platz als zentraler Fixpunkt in der Mannschaft von Dino Toppmöller gefunden.

Nachdem Marmoush bei seinen Ex-Vereinen meist nur die Rolle des Jokers blieb, hat sich der 25-Jährige unter Toppmöller einen Stammplatz erarbeitet. Dabei musste er in eine ungewohnte Rolle schlüpfen, die ihn noch stärker gemacht hat: Nach dem späten Verkauf von Neuner Kolo Muani im Sommer 2023 konnte die SGE keinen Stoßstürmer mehr verpflichten - und der eigentlich als Flügelstürmer agierende Marmoush nutzte seine Chance, kämpfte sich in die neue Aufgabe hinein und überzeugte bereits in seiner Frankfurter Debüt-Saison als Mittelstürmer.

In dieser Saison stand der Offensivspieler in jeder Begegnung in der Anfangsformation, meist an der Seite von Hugo Ekitiké, den die Eintracht im Sommer fest verpflichtet hat. "Wir haben nach meiner Ankunft viel zusammen gespielt und eine Verbindung entwickelt", freute sich der Franzose über die starke Zusammenarbeit mit Marmoush. "Mit seinen Qualitäten hat er dem Team sehr geholfen."

Der Ägypter zieht mit seinem hohen Tempo und seiner beeindruckenden Technik die Abwehrreihen auseinander. Doch in der ungewohnten Neuner-Rolle lernte er auch, sich trotz des etwas schmächtigeren Körpers zu behaupten. "Sich mit Kraft gegen Upa durchzusetzen, das hat noch keiner mit ihm gemacht diese Saison", staunte Bayern-Coach Kompany nicht schlecht - und lobte vor allem die enorme Abschlussqualität des SGE-Stürmers. Zwei Abschlüsse hatte er gegen die Münchner, beide fanden den Weg ins Netz - und das, obwohl die beiden Schüsse zusammen gerade einmal eine Torwahrscheinlichkeit von 0,39 Expected Goals besaßen!

"Wenn man den Saisonstart sieht, wie er sich macht, sich reinhaut und das Publikum immer wieder mitnimmt und mit Toren und Vorlagen entscheidend ist - da kann man sehr gut erkennen, dass er sich hier wohlfühlt", erzählte auch SGE-Coach Toppmöller mit glänzenden Augen und betonte, dass der Offensivspieler mit seinem Tempo und seinen Tiefenläufen ein ständiger Unruheherd sei.

Mit seinen acht Toren ist Marmoush der torgefährlichste Angreifer der bisherigen Bundesliga-Saison. Damit liegt er deutlich vor FCB-Star Harry Kane, der im direkten Duell mit der Eintracht gar nicht traf und bei fünf Treffern steht. Der Ägypter ist damit der beste Frankfurter der Historie zu diesem Zeitpunkt - bisher war es SGE-Legende Yeboah, der diesen Spitzenwert inne hatte, mit im Vergleich "nur" sechs Toren.

Und das ist noch nicht alles. Mit vier Assists ist Marmoush auch als Vorbereiter ein Star, legte den dritten Treffer des Bayern-Spiels direkt auf und ist mit zwölf direkten Torbeteiligungen zudem Topscorer der Bundesliga. Nur einmal seit Erfassung der Torvorlagen 1992 legte ein Spieler einen besseren Start hin - Robert Lewandowski sammelte in seiner Torrekord-Saison 2020/21 13 Scorer an den ersten sechs Spieltagen.

Und das sind nicht die einzigen beeindruckenden Werte. Marmoush kommt im Schnitt auf rund fünf Schüsse pro Spiel, sammelte dabei unfassbare 4,8 Expected Goals - beides Bestwerte der Bundesliga - und übertrumpfte die zu erwartenden Treffer dann nochmal mit einer herausragenden Abschluss-Effizienz Liga +3,2, ebenfalls Ligaspitze. Abgesehen von der Begegnung gegen den BVB hat der Offensivspieler in jeder Partie mindestens einmal getroffen.

Dabei machen nicht nur die Tore Marmoush zu einer Bedrohung für die Gegner. Der 26-Jährige ist ein vielseitiger Offensivspieler. Gerade durch das starke Passspiel und die erfolgreichen Dribblings, welche er als gelernter Flügelspieler mitbringt, arbeitet er seinen Mitspielern zahlreiche Chancen heraus. Schon vergangene Saison war er mit sechs Assists zu seinen zwölf Toren bester Frankfurter.

38 vorbereitete Abschlüsse in der Vorsaison waren schon richtig stark, in dieser Spielzeit kommt Marmoush mit 13 vorbereiteten Versuchen schon früh auf beeindruckende Werte. Seine durchschnittlich vier schusskreierenden Aktionen sowie vier progressive Läufe pro Spiel machen ihn zu einem der besten Stürmer in Europa Top-5-Ligen. Marmoush ist nicht nur ein Top-Finisher der Bundesliga, er besitzt zudem auch den BMF-Skill Initiator.

Doch das ist noch nicht alles. Wie gegen Dayot Upamecano weiß sich Marmoush durchsetzen - und ist nur extrem schwer zu stoppen. 15-mal ist der Angreifer schon gefoult worden. Das zeigt, wie unangenehm Marmoush für Verteidiger zu bespielen ist. Seine Zweikampfquote von 54 Prozent belegt seine starke Durchsetzungsfähigkeit zusätzlich.

Der Ägypter wirkt auch aufgrund seiner enormen Laufleistung unaufhaltsam. Immer wieder arbeitet Marmoush mit zurück, kommt bereits auf 177 Sprints, nervt die Gegner mit seinen Läufen zwischen den Ketten und in die Tiefe. Mit einer gemessenen Spitzengeschwindigkeit von über 35 km/h gehört der Ägypter zu den schnellsten Spielern der Bundesliga. Dabei besitzt er ein perfektes Timing für seine Tempoaktionen, denn er stand erst dreimal im Abseits.

Doch Marmoush überzeugt nicht nur in der Bundesliga. Vergangene Spielzeit waren 18 Scorer in 29 Ligaspielen beeindruckend, seine 23 Torbeteiligungen in 41 Pflichtspielen können sich aber ebenfalls sehen lassen. In dieser Saison legte er auf seine zwölf Scorer in sechs Ligaspielen noch drei in drei weiteren Pflichtspielen hinzu. So erzielte er in der Europa League beim 3:1-Erfolg in Istanbul das wichtige Tor zum 1:0.

Nach dem intensiven Spiel gegen den FC Bayern wartet nun zunächst die ägyptische Nationalmannschaft und ein Doppel-Duell gegen Mauritanien auf Marmoush - auch hier traf er bei seinem letzten Einsatz. In der Bundesliga kommt es dann zum erneuten Spitzen-Duell gegen Bayer 04 Leverkusen, also die direkte Konkurrenz unter den aktuellen Bayern-Jägern. 

Der amtierende deutsche Meister wird die nächste schwere Aufgabe für den Ägypter und seine Eintracht. Doch nach dem Drei-Scorer-Auftritt gegen den Tabellenführer scheint keine Herausforderung zu groß für den Überflieger. Der Magier Marmoush hat sicherlich noch zwei, drei Asse im Ärmel.