60 Jahre Bundesliga
Nils Petersen wird im Sommer seine Profi-Fußballschuhe an den Nagel hängen. Der beste Joker der Bundesliga-Geschichte und bei den Fans des SC Freiburg zum "Fußballgott" aufgestiegene Stürmer hat bekanntgegeben, seine Laufbahn als Profifußballer nach dieser Spielzeit zu beenden. In seinem letzten Heimspiel ließ er es aber noch einmal krachen.
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In einem vom Sport-Club Freiburg auf der vereinseigenen Website veröffentlichten Video erklärte der 34-jährige Nils Petersen im März, dass er nach ausführlichen Gesprächen mit seiner Familie den Entschluss gefasst hat, "dem Profifußball Goodbye zu sagen". Im gleichen Atemzug ließ er sich aber offen, in anderer Funktion dem Fußball erhalten zu bleiben, denn "man geht ja nie so ganz", wie Petersen selbst sagte. Er bedankte sich zudem bei allen Mitstreitern und Fans, "für die wunderschönen Jahre mit der schönsten Nebensache der Welt", die für ihn "immer die Hauptsache bleiben wird".
Am Freitagabend verabschiedete sich der "Fußballgott" dann erneut von den Freiburger Fans – aber nicht nur per Videobotschaft! Der Angreifer wurde vor dem letzten Heimspiel seiner Fußball-Karriere offiziell geehrt, in großen Lettern prangte "Danke Nils" in der Fankurve der Breisgauer. Zu einem richtig runden Abend wurde das Duell um die europäischen Plätze mit dem VfL Wolfsburg aber erst ab der 70. Minute: Kapitän Christian Günter und der Rekord-Joker der Bundesliga wurden beim Stand von 0:0 eingewechselt – eine Minute später traf Günter. Gerade mal fünf Zeigerumdrehungen nach seiner Einwechslung netzte auch Petersen in bester Mittelstürmer-Manier aus kurzer Distanz ein. Das Europa-Park Stadion bebte. Coach Christian Streich trieb es direkt die Tränen in die Augen.
"Ich werde mein Leben lang mit Nils verbunden bleiben, über den Fußball hinaus", sagte Christian Streich nach der Partie. Der Trainer sah eine leidenschaftliche Mannschaft gegen den VfL, "es war Dampf drin, die Mannschaft hat ein tolles Spiel gemacht." Für die Emotionen sorgten dann die Joker Günter, Petersen und auch Jonathan Schmid, der ebenfalls seine letzte Heim-Partie für den SC bestritt. "Ich habe so viele Jahre mit Johnny und Nils zusammengearbeitet. Das sind einfach tolle Spieler und Menschen. Ich werde ihr letztes Heimspiel für den SC nie vergessen", sagte der sichtlich ergriffene Streich, der nach dem Spiel auch zur Fankurve ging und in die Sprechchöre für Petersen und Schmid mit einstimmte.
"Niemand ist größer als der Verein, aber du warst verdammt nah dran", stand auf einem riesigen Banner, das die Freiburger Fans Petersen gewidmet hatten. Zudem hatten sie eine riesige Fahne mit Petersens Rückennummer, der 18, gebaut und der Stürmer schwang diese nach dem Abpfiff vor der Kurve hin und her. "Ich hatte komplett Gänsehaut, als ich die Plakate gesehen habe und die Fans bei meiner Einwechslung meinen Namen gerufen haben", sagte Petersen, der Mann des Abends. "Hätte ich ein Drehbuch für mein letztes Spiel in Freiburg schreiben müssen, dann wäre es wohl genau so gewesen", sagte der Schütze zum 2:0, dem ein zweiter Treffer aufgrund eines vorangegangenen Fouls im Mittelfeld verwehrt geblieben ist.
Petersen sei glücklich darüber gewesen, dass er überhaupt einen Einsatz bekam. "Es stand ja noch 0:0 und für uns ging es ja um einiges", sagte Petersen. Die Freiburger kämpfen nämlich noch um die Champions League, sitzen Leipzig und Union im Nacken dank des Sieges gegen Wolfsburg weiter im Nacken. "Das war einfach schön als Günni sein Tor gemacht hat und ich gemerkt habe: Wir können nochmal richtig Druck auf Berlin und Leipzig machen. Dass ich dann auch noch den Ball über die Linie stolpere, hätte ich überhaupt nicht erwartet", zeigte sich Petersen demütig und unterstrich damit nochmals, dass ihm der Mannschaftserfolg stets mehr am Herzen lag als der persönliche.
Der 1988 in Wernigerode (Sachsen-Anhalt) geborene Petersen schaffte über die Jugendmannschaften von Einheit Wernigerode, VfB Germania Halberstadt, und den FC Carl Zeiss Jena, wo er 2007 sein erstes Spiel in der zweiten Liga bestritt, den Sprung in die erste Liga beim FC Energie Cottbus, wo er 2009 sein Bundesliga-Debüt feierte. Nach dem Abstieg der Lausitzer trumpfte Petersen in der Saison 2010/11 zum ersten Mal so richtig auf, als er mit 25 Treffern Torschützenkönig der zweiten Bundesliga wurde. Im Anschluss schloss sich der damals 22-Jährige dem FC Bayern München an, bei dem er im September 2011 ausgerechnet gegen den SC Freiburg sein erstes Bundesliga-Tor erzielte.
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Von Sommer 2012 bis Ende 2014 trug Nils Petersen das Trikot vom SV Werder Bremen, der ihn im Januar 2015 an den SCF verlieh. Dort schnürte der Neuzugang in seinem allerersten Spiel nach Einwechslung zur Halbzeit einen lupenreinen Hattrick gegen Eintracht Frankfurt, mit dem ihn die SC-Fans schon tief in ihr Herz geschlossen hatten. Nach dem bitteren Abstieg der Breisgauer in der gleichen Saison war eigentlich klar, dass Petersen den Verein nach der Leihe von Bremen wieder verlassen würde. Doch in der Halbzeit-Pause eines Vorbereitungsspiels im darauffolgenden Sommer gegen den Stadtrivalen Freiburger FC wurde im altehrwürdigen Möslestadion des SC Freiburgs unter ohrenbetäubendem Jubel der anwesenden Fans mitgeteilt, dass Nils Petersen den Weg in die zweite Liga mitgehen würde. Nach seinen sagenhaften 21 Treffern in der folgenden Zweitliga-Saison, die maßgeblich zum direkten Wiederaufstieg der Sport-Clubs beitrugen, hatte Petersen endgültig den Thron des Breisgauer Fußballgotts bestiegen.
In seiner tollen Laufbahn krönte sich Nils Petersen mit einem irren Treffer aus 40 Metern gegen Borussia Dortmund 2018 zum Torschützen des Jahres. Noch eindrucksvoller ist aber seine Bilanz als Einwechselspieler, denn mit 34 Bundesliga-Toren nach Einwechslungen ist der Freiburger mit großem Abstand der erfolgreichste Joker der Bundesliga-Geschichte. Im vereinsinternen Ranking der erfolgreichsten Torschützen hat sich Petersen mit insgesamt 105 Pflichtspiel-Toren mit deutlichem Vorsprung vor Joachim Löw an die Spitze der erfolgreichsten Freiburger Torschützen gesetzt.
Petersen bei der Nationalmannschaft
Nils Petersen reifte beim SC Freiburg außerdem zum zweifachen deutschen A-Nationalspieler und gewann 2016 als bester Torschütze des Turniers mit der deutschen Olympia-Auswahl die Silbermedaille bei den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro.
Die SC-Fans werden ihren Fußballgott schmerzlich vermissen. Freitagabend holten sie ihn hoch in die Fan-Kurve, umarmten ihn, hängten ihm einen Freiburger Fan-Schal um und gaben ihm auch von ihren Getränken zu trinken. "Das war nur Radler, ich kann morgen ganz normal trainieren", sagte Petersen mit einem Lächeln im Gesicht. Der Blick geht weiterhin nach vorne, ganz der Profi. Am 34. Spieltag steht die Partie bei Eintracht Frankfurt an, der SC muss gewinnen, um sich erstmals für die Champions League zu qualifizieren. Eventuell lässt es Petersen dort noch einmal krachen. Und sorgt damit dann für den ganz großen Knall für die Freiburger und deren Fans.
Friedemann Goertz