Bundesliga
Simon Rolfes ist Direktor Sport bei Bayer 04 Leverkusen, hat zwischen 2005 und 2015 insgesamt 288 Bundesliga-Spiele bestritten und trug 26 Mal das Trikot der deutschen Nationalmannschaft. An dieser Stelle schreibt er wöchentlich über die neuen, innovativen Bundesliga Match Facts powered by AWS, die ihr während der Spiele sehen könnt. Diesmal geht es um die Gründe für die derzeit so starke Performance des 1. FC Union Berlin.
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Von Simon Rolfes
Für viele Experten galt der 1. FC Union Berlin vor der Saison im so viel zitierten schwierigen zweiten Jahr in der Bundesliga als Abstiegskandidat. Nach 14 Spieltagen steht aber fest: Die Mannschaft von Urs Fischer ist nicht nur weit vom Tabellenkeller entfernt, sie mischt inzwischen sogar im Kampf um die europäischen Plätze mit und ist bislang ohne Zweifel die große Überraschung der Saison. Und das hat seine Gründe.
Während der Erfolg der Köpenicker im vergangenen Jahr noch maßgeblich auf die vielen gefährlichen Standardsituationen aufgebaut war, hat sich das Spektrum des Unioner Spiels in der laufenden Saison deutlich erweitert. Was mit vor allem aufgefallen ist: Die Berliner agieren in dieser Spielzeit extrem effizient vor dem gegnerischen Tor.
xGoals vs. erzielte Tore: Nur Bayern und Leverkusen sind noch effizienter
Ein Blick in die Bundesliga Match Facts bestätigt meinen Eindruck: Union steht derzeit bei 22,85 xGoals. Aufgrund ihrer Torabschlüsse wären von ihnen also knapp 23 Tore zu erwarten gewesen. Getroffen haben die Berliner aber schon 29 Mal. Einen größeren positiven Unterschied zwischen xGoals und tatsächlichen Toren weisen ligaweit sonst nur noch Bayern München und Bayer 04 Leverkusen auf.
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Nehmen wir die Partie gegen Werder Bremen am vergangenen 14. Spieltag: Aus nur 0,84 xGoals erzielte Union zwei Tore. Werder hingegen machte in dieser Begegnung aus 1,01 xGoals keinen einzigen Treffer. Während die Bremer in der Summe also die besseren Torabschlüsse hatten, agierte Union vor dem Tor einmal mehr höchst effizient.
Vor allem Friedrich und Andrich machen viel aus ihren Möglichkeiten
Mit Taiwo Awoniyi, der zunächst ein wenig Anlaufzeit gebraucht hat, hat Union inzwischen auch einen Mittelstürmer, der das Anforderungsprofil perfekt erfüllt. Die Leihgabe des FC Liverpool erzielte in den vergangenen sieben Spielen gleich fünf Treffer. Besondere Effizienz vor dem Tor zeigen aber auch andere Akteure im Team: Allen voran Marvin Friedrich, der mit nunmehr vier Saisontoren der torgefährlichste Innenverteidiger der Bundesliga ist. Dabei steht Friedrich 2020/21 gerade mal bei einen xGoals-Wert von 1,35. Friedrich ist inzwischen auch der erste Zielspieler für die noch immer hoch gefährlichen Standards von Kapitän Christopher Trimmel. Bezeichnend: Am 13. Spieltag erzielte Friedrich gegen Borussia Dortmund den Treffer mit der geringsten Torwahrscheinlichkeit. Nur sechs Prozent der Spieler hätten den Kopfball aus gleicher Position im Tor versenkt.
Besonders deutlich wird es auch bei Mittelfeldmotor Robert Andrich. Brauchte Andrich 2019/20 noch 48 Torschüsse für seinen ersten Treffer und war damit vor dem 30. Spieltag der erfolgloseste Schütze ligaweit, steht er in dieser Saison bereits bei drei Saisontoren. Und hat seinen xGoals-Wert von 0,64 deutlich übertroffen. Stellt man 2020/21 xGoals und tatsächlich erzielte Tore gegenüber, so landen Andrich und Friedrich nicht ganz zufällig unter den zehn besten Bundesliga-Spielern dieser Statistik.
Becker glänzt als Konterspieler, Kruse als Spielmacher
Das logische Resultat: Zum gleichen Zeitpunkt der Saison hat Union in der aktuellen Spielzeit elf Treffer mehr auf dem Konto als noch vor einem Jahr. Keine Frage: Die Mannschaft hat sich neben den neuen Abschlussqualitäten auch spielerisch weiterentwickelt. Mit Sheraldo Becker hat sie einen perfekten Konterspieler in ihren Reihen, der mit 35,27 km/h nicht nur zu den schnellsten Spielern der Bundesliga zählt, sondern zuletzt auch zunehmend seine Torgefährlichkeit unter Beweis gestellt hat. Und natürlich bringt die spielerische Klasse des derzeit verletzten Max Kruse ganz neue Möglichkeiten, um auch selbst mal das Spiel zu gestalten.
In die meisten Duelle wird Union aber nach wie vor als Außenseiter gehen. Da ist es umso wichtiger, aus den wenigen Torchancen den maximalen Ertrag heraus zu kitzeln. Und das ist der Elf von Urs Fischer bisher hervorragend gelungen. Für mich hat das übrigens viel weniger mit Glück zu tun als mit der Qualität einer sehr gut ausbalancierten Mannschaft.
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