Bundesliga
Beide sind Zehner, gehen gerne auf Torejagd und treffen im Topspiel des 23. Spieltags direkt aufeinander. Doch Jamal Musiala und Xavi könnten unterschiedlicher nicht sein. bundesliga.de analysiert die beiden Kreativspieler von FC Bayern München und RB Leipzig.
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Der eine ist vielleicht DER Bundesliga-Newcomer der Saison, der andere ist schon fast ein Urgestein im deutschen Oberhaus - dabei sind Xavi und Jamal Musiala beide gerade einmal 20 Jahre alt. Der Superyoungster des FC Bayern München steht bereits bei 107 Einsätzen in der Bundesliga. Im Topspiel am Samstag werden es wohl 108 werden, bevor er zwei Tage darauf seinen 21. Geburtstag feiert. Somit ist er der Youngster mit den drittmeisten Bundesliga-Einsätzen vor Vollendung des 21. Lebensjahrs. Nur Timo Werner (117) und Kai Havertz (114) standen zu diesem Zeitpunkt schon häufiger auf dem Feld.
Anders ist das bei Xavi. Der Niederländer wechselte erst im vergangenen Sommer zu RB Leipzig - und könnte hier aufgrund der laufenden Leihe auch nur kurz bleiben. Daher wird das Spitzenspiel erst sein 22. Duell in der Bundesliga sein. Doch auch sonst kommt der 20-Jährige, der am 21. April Geburtstag hat, nicht auf ganz so viele Profi-Einsätze wie Musiala: 90 Pflichtspiele (Musiala 151) absolvierte er in der niederländischen Eredivisie für PSV Eindhoven, in der Ligue 1 für Paris Saint-Germain sowie in den Europa- und Pokalwettbewerben. Doch trotz der geringeren Erfahrung ist Xavi in der laufenden Saison eher Überflieger als Musiala. Worin ähneln sich die beiden Spielgestalter - und was unterscheidet sie?
Sowohl Musiala als auch Xavi sind klassisch im offensiven Mittelfeld daheim. Doch gespielt haben sie ihre angestammte Rolle als "Zehner", d.h. eine zentrale offensive Mittelfeldrolle hinter dem Sturm, beide gar nicht immer. Das hat verschiedene Gründe, doch eine Gemeinsamkeit ist vorhanden: Beide sind extrem vielseitig. Ob als Linksaußen, Rechtsaußen, in einer Doppel-Zehn, im defensiven Mittelfeld oder sogar als Sturmpartner - Musiala und Xavi sind offensiv absolute Allrounder.
Xavi spielte bei Paris vor allem im zentralen Mittelfeld, explodierte bei Eindhoven dann als Zehner. Doch er kam auch als MIttelstürmer und Rechtsaußen zum Einsatz. In der Rückrunde 22/23 rückte der damals 19-Jährige dann fest auf den linken Flügel, von wo er ein Tor nach dem nächsten schoss. Bei Leipzig nahm er ebenfalls schon verschiedene Rollen ein. Im dort gespielten 4-2-2-2 gibt es die linkshalbe Zehner-Position, die mit dem überlaufenden Linksverteidiger David Raum eher die klassischen Zehner-Aufgaben ausfüllt. Und es gibt die rechtshalbe Variante, in der man häufiger auch auf dem Flügel arbeitet oder sich etwas fallen lässt - man unterstützt, wo man gebraucht wird. Zu Saisonbeginn spielte Xavi noch rechts. Nach der Verletzung von Dani Olmo entwickelte er sich aber zum entscheidenden Mann auf der klassischeren Zehner-Position halblinks. Diese Rolle behielt er auch, nachdem der Spanier nun wieder gesund ist. Er ist der Dreh- und Angelpunkt des Leipziger Offensivspiels.
Anders ist es bei Musiala. Beim FCB gibt es die klassische Zehner-Rolle und Musiala agiert auch häufig als zentrale Anspielstation zwischen den Ketten. Doch vor allem zuletzt agierte er immer wieder als Linksaußen, wechselte auch im Spiel stetig mit seinen Kollegen die Positionen. Dass er zuletzt selten auf der Zehn spielte und auch im Topspiel nicht dort agieren könnte, liegt vor allem an der Verletzungssituation. Weil mit Thomas Müller und Eric Maxim Choupo-Moting zwei gesunde Kollegen ebenfalls am besten zentral spielen, rückte Musiala auf die Außenposition.
Beim Vergleich zwischen Florian Wirtz und Musiala kamen zwei unterschiedliche Typen Zehner heraus: Wirtz ist ein Spieler mit hoher Vorlagenzahl, während Musiala gerne selbst den Torabschluss sucht und den Großteil seiner Scorerpunkte durch eigene Treffer sammelt. In diesem Vergleich zwischen Musiala und Xavi geht es um zwei Torjäger, die beide vor allem eine hohe Abschlusszahl aufweisen. Doch trotzdem gibt es große Unterschiede zwischen dem Münchner und dem Leipziger.
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Xavi wählt in der Regel in jeder möglichen Situation den Torschuss. 54 Mal zielte der Leipziger auf den gegnerischen Kasten bei einem kumulierten Expected-Goals-Wert von 4,2. Das ergibt eine durchschnittliche Chancenqualität von 7,8 Prozent Torwahrscheinlichkeit. Und so fallen auch die Tore: Abgesehen von einem Xavi-untypischen Kopfballtor am 4. Spieltag gegen den FC Augsburg (41 Prozent) traf der Niederländer vor allem über Kleinstchancen. Die zweitbeste verwandelte Chance nach dem Kopfballtor lag gerade einmal bei zwölf Prozent. Sein Treffer gegen Freiburg am 11. Spieltag hatte sogar nur eine vierprozentige Torwahrscheinlichkeit. Auch das Top-Tor des Monats Januar bestand aus einer Ballannahme, einer Vorlage und dem Abschluss aus der Drehung - Torwahrscheinlichkeit: Neun Prozent. Dabei ist Xavi total effizient, schoss aus 4,2 xG sechs Tore.
Dass er jeden Schuss nimmt, egal wie klein die Chance ist, zeigt: Am Strafraum fackelt Xavi nicht lange, sucht keine Dribblings in den Strafraum, sondern schießt oder assistiert. Alle sieben Torvorlagen gab der Leipziger von außerhalb des Strafraums. Und bei allen Assists spielte er den Pass entweder direkt in den Strafraum oder aber seine Mitspieler hatten dann einen freien Laufweg bis in den Sechzehner, ehe sie das nächste Mal in ein Duell mit einem Verteidiger kamen. Xavi beweist sich als Regisseur aus dem Rückraum.
Doch der Leipziger ist auch einer der besten Dribbler der Liga. Xavi dribbelt viel und gerne - nur nicht in den Sechzehner. Er setzt auf Tempo und Wendigkeit anstatt auf die feine Technik auf engstem Raum. Mit seinem niedrigen Körperschwerpunkt und den kurzen Beinen ist der 1,79m-große Xavi im offenen Laufduell kaum zu stoppen.
58 Dribblings sind der viertbeste Saisonwert - direkt hinter Musiala auf Platz drei. Dabei blieb Xavi in 67,2 Prozent der Aktionen erfolgreich. Deshalb greifen seine Gegner immer wieder zu Fouls, 53 Mal begangen seine Gegenspieler eine Regelwidrigkeit im direkten Duell. Das sind über zehn gezogene Fouls mehr als der nächste Bundesliga-Star (42).
Anders ist das bei Jamal Musiala. Die Münchner spielen generell mehr ballbesitzdominierten Fußball, Zehner Musiala kommt also in der Regel schon deutlich näher am Strafraum an den Ball. Anstatt also bei der Bewegung nach vorne viel unterstützen zu müssen, wie es Xavi bei den Sachsen tut, sieht sich Musiala meist mit engen Räumen am Strafraum konfrontiert - ohne Lücken für Fernschüsse. Darauf legt es "Magic Musiala" auch nicht an. Immer wieder sucht er das Dribbling am und in den Strafraum. Seine Qualitäten sind die feine Klinge und die Arbeit in die gefährlichen Zonen. Obwohl er nur in 17 der 22 Bundesliga-Partien auf dem Feld stand, dribbelte er am dritthäufigsten von allen Stars (69 Mal).
Dass Musiala auch Fernschüsse kann, zeigte er bei seinem wichtigen Tor zur Meisterschaft am 34. Spieltag der vergangenen Saison - diese Spielzeit traf er jedoch nur bei einem seiner sechs Tore von außerhalb des Sechzehners: bei einem Freistoß-Trick schoss er aus 17 Metern. Sonst waren es vor allem Abschlüsse aus kurzer Distanz. Dabei sucht er das Dribbling, spielt auch gerne nochmal einen Doppelpass wie etwa beim 2:0 gegen Hoffenheim am 17. Spieltag, wo er immerhin mit starken 62 Prozent Torwahrscheinlichkeit abschloss - keine Ausnahme, sondern die Regel.
Zwar kommt Musiala in dieser bisher eher schwächeren Saison auch "nur" auf 4,4 Expected Goals und erzielte daraus sechs Zähler, dabei schoss er jedoch auch nur 34 Mal und somit 20 Mal weniger als Xavi. Zweimal jubelte Musiala auch aus spitzem Winkel, da jedoch trotzdem aus naher Entfernung etwa vom rechten Fünfmetereck.
Die beiden 20-Jährigen zeigen eindrucksvoll, wie ähnlich sich zwei Spieler oberflächlich beschreiben lassen, ohne dass sie in ihrem Spiel besonders viel gemein haben. Der eine, Bayerns Jamal Musiala, ist eher ein Stürmer auf der Zehner-Position. Er geht in den Strafraum, hilft bei der Qualitätsmaximierung der Chancen und zieht auch durch clevere Läufe in die Box Räume für seine Mitspieler.
Der andere, Leipzigs Xavi, ist viel mehr ein Mittelfeldspieler, der Bälle tief in der eigenen Hälfte aufnimmt, beim Umschalten hilft und aus der Ferne abzieht - mit dem Strafraum hat sein Spiel kaum etwas zu tun. Er steht für Chancenmaximierung.
Wie immer gilt natürlich: Beide Spieler sind nicht limitiert auf diese taktischen Rollen. Musiala kann auch stark umschalten - siehe beispielweise die Torvorlage für Leroy Sané im Hinrunden-Duell gegen Leipzig, als er im Konter viel Strecke überbrückt und dann Sané in den Strafraum schickt. Und auch Xavi ist nicht darauf limitiert, im Rückraum zu bleiben, wie sich bei seinem Kopfballtor zeigte. Doch in diesen Räumen sind sie am besten. Am Samstagabend treffen sie aufeinander: der Strafraumzehner gegen den Rückraumzehner.
Niklas Staiger