Bundesliga
Der 1. FC Heidenheim ist perfekt in die Saison gestartet - fünf Pflichtspiele, fünf Siege und zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte die Tabellenführung in der Bundesliga. Youngster Paul Wanner, Leihgabe des FC Bayern München, hat einen großen Anteil daran. bundesliga.de analysiert, was Wanner so gut macht.
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Vier Pflichtspiele, vier Tore und zwei Assists - der Saisonstart des jungen Spielmachers hätte nicht besser laufen können. Beim 1. FC Heidenheim 1846 ist Paul Wanner schon kurz nach Saisonstart nicht mehr wegzudenken. Bei St. Pauli zum Saisonstart traf er nach einem perfekten Konterangriff zur Führung, am 2. Spieltag gegen Augsburg versenkte er einen Elfmeter - und bereitete einen Treffer vor.
Doch was macht das Supertalent überhaupt so gut - und wo gibt es möglicherweise noch Verbesserungsbedarf?
Ein großes Thema bei Zentrumsspielern sind die vielen Gegner um einen herum - überall lauert die Gefahr, dass ein Verteidiger den Ball attackiert. Doch der Youngster hat keine Angst vor diesem Druck - er spielt damit und hilft so seinen Mitspielern, in noch bessere Positionen zu kommen.
Mit seinem guten Auge für Lücken in der gegnerischen Defensivstruktur und seinem technisch herausragenden Flachpass guckt er den Gegner immer wieder aus. Er zieht den Druck auf sich und spielt Pässe heraus - in die Füße seiner Teamkollegen.
Ein gutes Beispiel dafür lässt sich schon früh im Duell gegen die Kiezkicker finden: Wanner kommt in einem Konter halbrechts zu einem möglichen Eins-gegen-Eins-Duell mit einem St.-Pauli-Verteidiger, doch weil zu viele Gegner mitgelaufen sind, muss er kreativ werden. Er könnte außen Rechtsverteidiger Omar Traoré schicken, doch er sucht den Weg ins Zentrum: Er zieht erst seinen direkten Gegenspieler auf sich, dann dribbelt er in die Mitte in ein Dreieck aus Mittelfeldspielern der Hamburger. Vier Spieler sind also gerade mit ihrer Aufmerksamkeit komplett bei Wanner. Das Ergebnis: Der zentral mitgelaufene Lennard Maloney bekommt freien Raum im Rücken, wird angespielt und kann den Angriff weiter treiben.
Diese oder ähnliche Szenen gibt es bei Wanner immer wieder. Anders als beispielsweise Jamal Musiala sucht der 18-Jährige nicht das Dribbling, er ist zwar schnell, beweglich und hat eine enge Ballführung, was ihm häufig auch in diesen Situationen hilft. Doch seine Passstärke macht ihn so erfolgreich. Damit erinnert er vom generellen Spielstil viel mehr an Leverkusens Florian Wirtz.
Ähnliche Muster lassen sich auch im freien Raum erkennen - vor allem auf dem Weg zum gegnerischen Strafraum. Dabei sucht er mit seinen genauen Steckpässen auch häufig den "einfachen" Weg hinter die Kette, doch Wanner treibt Mannschaftsdienlichkeit auf eine neue Stufe: Der Youngster hat selten das Ziel, Gegenspieler einfach nur zu überwinden - viel mehr möchte er seine Mitspieler dabei komplett vom Druck befreien.
Tolle Szenen gab es dabei vor allem in der Vorsaison bei der SV Elversberg zu sehen, wo Wanner die Spielzeit 2023/24 zur Leihe verbrachte. Ein Beispiel vom Auswärtsspiel in Braunschweig: Eigentlich standen die Löwen gut gestaffelt, auf Wanners Seite im Drei-gegen-Drei und auf der linken Spielfeldhälfte im Eins-gegen-Eins. Doch der Youngster schnappte sich den Ball und dribbelte durch den freien Raum im Zentrum direkt auf den Gegenspieler von Stürmer Luca Schnellbacher - der Verteidiger musste auf Wanner rausrücken und ein Steckpass in die Tiefe brachte den SVE-Angreifer frei zum Abschluss. Wäre Schnellbacher nicht am stark parierenden Braunschweiger Schlussmann gescheiterte, hätte Wanner beinahe die Wende eingeleitet, nachdem er zur Pause beim Stand von 0:2 eingewechselt wurde.
Im seinem Spiel lassen sich immer wieder Elemente von Topstars sehen, die er offenbar stark adaptieren und für sich als Blaupause nutzen kann. Aus diesen verschiedenen Fähigkeiten macht er dann einen neuen, anderen Spieler: Paul Wanner eben. Sein Passspiel erinnert an Wirtz, seine Drehungen gegen heranrauschende Gegner ähneln denen von Bayern-Kollege Jamal Musiala - und im Pressing lässt sich schon mit 18 Jahren ein Hauch von Thomas Müller erkennen. Der Rekordspieler des FC Bayern München ist für seine starke Arbeit gegen den Ball bekannt - und für seine Schlitzohrigkeit.
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Diese pure Cleverness lässt sich auch bei Wanner erkennen. Mit seinen 1,85m Körpergröße ist er zwar nicht klein, doch im Körperbau eher schmächtig - in physischen Zweikämpfen hat er also offensichtlich Probleme, sich durchzusetzen. Stattdessen arbeitet er mit seinem Kopf, erkennt schwierige Situationen der Gegner und bringt sich clever in Lauerstellung, um den Gegnern den Ball abzuluchsen, wenn sie leichte Fehler machen.
Ein Paradebeispiel zeigte sich am 2. Spieltag gegen Augsburg, als er den Ball erst eroberte und dann das Tor von Kollege Adrian Beck perfekt einleitete. Bei einem hohen Ball von Teamkollege Traore hatte er im physischen Duell keine Chance, war ohnehin etwas zu spät in der Nähe des Balles. Anstatt den physisch starken Elvis Rexhbecaj direkt zu attackieren, postierte er sich unbemerkt in dessen Rücken, wartete auf den ersten Kontakt - und ging dann dazwischen. Mit seiner sauberen Technik zog er erst den Ball raus, legte ihn sich dann mit der Hacke in den Lauf. Dort wartete ein physisches Duell mit dem gerade einmal 1,75m-großen Außenverteidiger Dimitrios Giannoulis, das Wanner gewann. Aus einem Befreiungsschlag machte Wanner ein Tor für das eigene Team - durch pure Cleverness.
In Heidenheim profitiert Wanner aktuell vor allem davon, dass er die Vorbereitung von Beginn an starten konnte - und bei der Neubildung der Offensive im Umbruch von Tag eins dabei war. "Wir haben die Spieler vor der Vorbereitung der neuen Vereine verliehen. Das macht es den Jungen natürlich einfacher. Du kommst in einen neuen Verein rein, du lernst den Verein und die Mitspieler kennen. Du kannst Vorbereitungsspiele machen und versuchen, dich in diese Startelf zu spielen", erklärte Bayerns Sportvorstand Max Eberl das Konzept für Wanner und Co. "Paul hat in Elversberg letztes Jahr eine richtig tolle Entwicklung genommen. Für uns war klar: Wir müssen jetzt den nächsten Schritt für ihn finden."
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Dieser wurde mit Heidenheim gefunden - und dort steht man für die Entwicklung junger Spieler. "Er kann in engen Räumen sehr gut den Ball behaupten und sich dann daraus lösen. Er hat ein sehr gutes Passspiel, auch ein gutes Auge und fußballerisch ist er schon auf einem sehr hohen Niveau", lobt sein neuer Trainer Frank Schmidt den jungen Wanner. Doch die Verbesserungsbereiche sind klar: "Männerfußball bedeutet auch Widerstandsfähigkeit. Es bedeutet, athletisch immer wieder im Grenzbereich zu sein. Auch dazu bereit zu sein, mit Rückschlägen umzugehen. Wir haben den einen oder anderen Spieler in der Vergangenheit dort weiterentwickelt - vielleicht haben wir ihn deshalb bekommen", spekulierte Schmidt über die Entscheidung pro Heidenheim.
Unter Druck könnte er sich sogar noch besser behaupten: Er sucht die Aktionen zwar bewusst, um sich Chancen zu erarbeiten - und hat mit 61 Prozent eine gute Passquote in diesen Situationen. Physisch durchsetzen konnte er sich aber lediglich in 36 Prozent seiner Drucksituationen. Für den jungen Spielmacher geht es beim FCH vor allem darum, Erfahrung zu sammeln und sich an das körperliche Niveau der Bundesliga anzupassen. Dass es ihm an spielerischen Stärken, Intelligenz und auch klaren Mustern zum Sieg nicht mangelt, das hat er bereits bewiesen.
Niklas Staiger