Bundesliga

2024-10-18T12:47:32Z

Aus Euphorie wurde Akribie: Tuchels imposante Karriere

Thomas Tuchel wird neuer Trainer der englischen Nationalmannschaft. Es ist seine sechste Station als Profi-Coach. bundesliga.de blickt auf den Menschen Tuchel und die bisherigen Stationen des "Taktik-T-Rex" zurück. In seiner Karriere gab es eine Person, die Tuchel besonders geprägt hat.

"Er hat größten Anteil daran, dass aus meiner Euphorie für den Trainerjob Akribie wurde", sagte Thomas Tuchel im September 2009 in einem Interview mit dem Online-Portal "SPOX". Gemeint war Hermann Badstuber - Tuchels früherer Mentor in der Nachwuchsabteilung des VfB Stuttgart. Sechs Monate zuvor war der Vater des ehemaligen deutschen Nationalspielers Holger Badstuber nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben.

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"Ein ganz furchtbarer Verlust", teilte Tuchel damals mit. Badstuber sei eine sportliche Vaterfigur für ihn gewesen. Vieles von dem, was Tuchel heute fußballerisch und menschlich charakterisiert, hat er sich bei Badstuber abgeschaut. "Ich kenne bis heute kaum einen Trainer, der so viel Fachwissen in sich vereint, gleichzeitig aber so viel Querdenken zulässt, sich ständig hinterfragt, fleißig arbeitet und dabei bescheiden geblieben ist."

Pep adelt Tuchel

Nach diesen Grundsätzen operierte Tuchel in seiner bislang 24 Jahre andauernden Trainerkarriere. Ehemalige Weggefährten, ob es Spieler, Trainerkollegen oder Vorgesetzte sind, beschreiben den gebürtigen Krumbacher genau so: detailverliebt, unorthodox und empathisch. Insbesondere die fachlichen Qualitäten des Fußballlehrers (Abschlussnote 1,4) werden oft herausgestellt.

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"Er ist mit Sicherheit einer der besten Trainer. Er hat überall gute Arbeit geleistet: in Deutschland, in Paris, in England. Ich freue mich sehr, ihn wiederzusehen", hatte sich beispielsweise Pep Guardiola im Jahr 2023 vor einem Champions-League-Duell zwischen Manchester City und Bayern München wertschätzend über seinen Trainer-Kollegen geäußert.

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Signifikante Erfolge bei den Junioren

In der Tat zählt Tuchel zu den renommierten Trainern, die europaweit bereits auf höchstem Niveau Erfahrungen gesammelt haben. Begonnen hat er aber wie die meisten zunächst als Jugendtrainer: Nachdem er mit 24 Jahren seine aktive Karriere beim SSV Ulm in der damals dritthöchsten Liga Deutschlands, der Regionalliga, aufgrund einer hartnäckigen Knorpelverletzung hatte beenden müssen, widmete er sich dem Trainerjob. Anfang der 2000 legte er in der Jugend des VfB Stuttgart los und lernte als U15-Trainer unter anderem Hermann Badstuber kennen.

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2004 stieg Tuchel zum U19-Trainer beim VfB auf, holte ein Jahr später den Meistertitel in der A-Junioren-Bundesliga. Spätestens ab diesem Zeitpunkt dürfte Tuchel wohl als Trainertalent wahrgenommen worden sein. Kurz darauf wechselte er in die Nachwuchsabteilung seines früheren Jugendclubs FC Augsburg zurück, wurde dort erst U19-Coach und später Nachwuchskoordinator. 2008 zog es Tuchel zur U19 des 1. FSV Mainz 05, mit der er wieder nur ein Jahr später erneut die Meisterschaft gewann.

Thomas Tuchel mit seinen Mainzer Spielern André Schürrle, Lewis Holtby und Ádám Szalai

Mainz rockt unter Tuchel, Pokalsieger mit Dortmund

Bei den "Nullfünfern" betrat Tuchel schließlich die Bundesliga-Bühne. Der damalige FSV-Sportdirektor Christian Heidel vertraute dem damals 35-Jährigen das Traineramt an, nachdem Jørn Andersen kurz nach Saisonbeginn entlassen worden war. Nach zwei Unentschieden fegten Tuchel und Mainz den FC Bayern und Trainer Louis van Gaal mit 2:1 vom Feld. Ab sofort kannte in Fußball-Deutschland jeder den Namen Thomas Tuchel.

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In der zweiten Saison beim FSV bildeten sich unter der Regie Tuchels unter anderem die "Bruchweg-Boys" heraus: ein erfolgreiches Offensiv-Dreigestirn bestehend aus Lewis Holtby, Ádám Szalai und André Schürrle. Mainz wusste mit überfallartigem und temporeichem Angriffsfußball zu gefallen, Tuchels Handschrift war klar erkennbar. Das blieb auch nicht Borussia Dortmund verborgen, das Tuchel nach fünf Jahren in Rheinhessen 2015 weglotste. In der Saison 2016/2017 wurde er mit dem BVB DFB-Pokalsieger.

Thomas Tuchel und die ehemaligen PSG-Superstars Neymar und Mbappé

Tuchel hat Pariser Starensemble im Griff

Nach einer einjährigen Pause ging Tuchel im Sommer 2018 erstmals als Trainer ins Ausland, heuerte beim französischen Primus Paris Saint-Germain an. Mit PSG holte er in seiner zweijährigen Amtszeit zwei Meisterschaften und vier nationale Pokale.

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Dort arbeitete er unter anderem mit Weltstars wie Neymar oder Kylian Mbappé zusammen. Ersterer lobte Tuchel in einem Interview mit dem französischen TV-Sender Canal+ in höchsten Tönen: "Ich habe seit unserem ersten Gespräch große Zuneigung für ihn entwickelt, und wenn man solch eine große Zuneigung für seinen Trainer fühlt, gibt man sein Leben für ihn auf dem Platz. Ich werde für ihn mein Bestes geben, zu gewinnen."

Tuchel wird

Champions-League-Triumph mit den Blues

Danach folgte der Schritt auf die Insel, wo er mit dem FC Chelsea in der Saison 2020/21 und dem Gewinn der Champions League seinen ersten großen internationalen Titel einsammelte. Nachdem sich der Londoner Club von Tuchel getrennt hatte, fand der damalige Chelsea-Innenverteidiger Thiago Silva anerkennende Worte über die sozialen Medien: "Es war ein wirkliches Privileg, dich kennenzulernen und mit dir arbeiten zu dürfen. Danke für alles, Thomas Tuchel, ich wünschte, ich hätte hilfreicher sein können."

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Der Anfang 2022 als FIFA-Welttrainer ausgezeichnete Tuchel nahm sich nach dem anderthalbjährigen Engagement bei den Blues erneut eine kleinere Auszeit und wechselte dann zurück nach Deutschland zum FC Bayern München.

Thomas Tuchel holt mit dem FC Bayern in allerletzter Minute die Deutsche Meisterschaft

Last-Minute-Meister mit den Bayern

Als Nachfolger von Julian Nagelsmann gewann er mit dem Rekordmeister in einem Herzschlagfinale die Deutsche Meisterschaft. In der darauffolgenden Saison blieben die Münchener ohne Titel, Tuchel und Bayern trennten sich in beiderseitigem Einvernehmen. Und auch dort gibt es Spieler wie etwa Harry Kane (36 Bundesliga-Tore unter Tuchel), die den 51-Jährigen schätzen: "Ich kenne Thomas durch das letzte Jahr natürlich sehr gut. Er ist ein fantastischer Trainer und ein fantastischer Mensch."

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Sowohl der Trainer als auch der Club hatten sich ein längerfristiges Engagement gewünscht, doch so richtig warm sind beide Parteien nicht miteinander geworden.

Thomas Tuchel und Harry Kane werden bei den Three Lions erneut zusammenarbeiten

Weltmeister mit England?

Nach wiederholt einigen Monaten Pause macht Tuchel erstmalig bei einem Verband halt. Als Nachfolger von Gareth Southgate soll Tuchel England gemeinsam mit Co-Trainer Anthony Barry zur Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Kanada und Mexiko führen. Bei der FA hat Tuchel einen 18-Monats-Vertrag unterschrieben. Am 1. Januar 2025 beginnt das Abenteuer bei den Three Lions. 

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"Wir freuen uns sehr, dass wir mit Thomas Tuchel einen der besten Trainer der Welt und mit Anthony Barry einen der besten englischen Trainer zu seiner Unterstützung verpflichten konnten.", erklärte FA-Geschäftsführer Mark Bullingham und führte fort: "Thomas war sehr beeindruckend und stach mit seiner großen Erfahrung und seinem Elan hervor. Anthony ist ein englisches Spitzentalent und hat außerdem internationale Erfahrung in der Republik Irland, Belgien und Portugal."

"Ein Grund, ein bisschen nervös zu sein"

Thomas Tuchels Karriere hat den Verlauf genommen, der von vielen Experten prophezeit wurde. Er ist im In- und Ausland ein gefragter Coach, der es nun auf den Trainerstuhl einer der größten Fußballnationen überhaupt geschafft hat. Mit den Three Lions will er nach 1966 endlich den zweiten Stern holen.

Tuchels hoher Anspruch an sich selbst resultiert aus einer Art Bescheidenheit, die ihm Hermann Badstuber vorgelebt hat, wie er zu Beginn seiner Karriere erzählte. Er sieht sein Talent und seine Berufung als eine Verpflichtung an, das Maximum aus sich herauszuholen. Seine Demut hat sich auch in seiner Message an die englischen Fans wieder bemerkbar gemacht: "Ich bin im Wembley, wo sonst? Das ist auch ein Grund, ein bisschen nervös zu sein. Ich denke, das ist eine gute Sache."

Philipp Pachollek

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