Bundesliga
Marco Reus und Toni Kroos - beide Superstars verlassen nach dem Champions-League-Finale ihre aktuellen Vereine. Kroos beendet die Vereinskarriere, Reus bleibt nicht beim BVB. Nun steht das letzte Spiel im jeweiligen Trikot bevor - ausgerechnet in London, wo sie sich schon vor elf Jahren gegenüber standen.
Ein Hauch von Schicksal wird am Samstagabend durch das legendäre Londoner Wembley Stadium wehen, wenn Borussia Dortmund im Champions-League-Finale auf Rekordsieger Real Madrid trifft. Zum ersten Mal treten diese beiden in einem europäischen Endspiel gegeneinander an. Zu einer Begegnung mit schicksalhaften Zügen macht den Showdown aber das Wiedersehen zweier deutscher Ausnahmespieler, die kürzlich den Abschied von ihren langjährigen Clubs in diesem Sommer angekündigt haben und sich schon einmal auf der größten Bühne des Vereinsfußballs gegenüberstanden. Am 25. Mai 2013 trat ein 24-jähriger Marco Reus mit seinem BVB im bis heute einzigen deutschen Endspiel des Wettbewerbs gegen den FC Bayern München mit dem 23-jährigen Toni Kroos an.
Auf dem Rasen stand damals nur Reus. Kroos blieb seit seinem im Viertelfinale gegen Juventus Turin erlittenen Muskelbündelriss bei seinem ersten internationalen Endspiel nur die Zuschauerrolle. Was sonst wohl hätte sein können? Hätte Bayern-Coach Jupp Heynckes für seinen Lieblingsschüler Kroos vielleicht Franck Ribery oder Arjen Robben auf die Bank gesetzt? Die beiden produzierten in der 89. Minute den 2:1-Siegtreffer für den Rekordmeister. Reus hatte zuvor den Foulelfmeter rausgeholt, den Ilkay Gündogan zum Ausgleich verwandelte.
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Wenngleich im Vergleich Reus/Kroos damals nichts darauf hindeutete, dass der eine Ausnahmespieler den anderen am Ende zum jetzigen Zeitpunkt um fast 30 Titel übertreffen würde, war Wembley 2013 doch so etwas wie ein Schlüsselmoment in der Karriere beider.
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Reus, der nach der zweiten Dortmunder Meisterschaft in Folge 2012 zurück zu seinem Jugendclub wechselte, prägte den BVB ein Jahrzehnt lang als kombinationswütiger Kreativdirektor, Dribbler, Schusskünstler und Unterschiedspieler. Die großen Titel blieben ihm - wie in London - aber größtenteils verwehrt: Auch Verletzungspech verhinderte den weiteren Ausbau der zwei DFB-Pokal- und drei Supercup-Siege umfassenden Trophäensammlung des gebürtigen Dortmunders.
Reus' Geschichte ist eine von großer Treue, echter Identifikation und dem unermüdlichen Kampf gegen Widerstände, der die süßen Momente unbezahlbar machte: Den Sieg im Pokalfinale 2017 feierte Reus, zur Halbzeit verletzt ausgewechselt, ausgelassen mit gerissenem Kreuzband - nichts konnte seine Laune über den ersten großen Titel seiner Karriere trüben. Die "Welt" schrieb vom "nebensächlichsten Kreuzbandriss der Fußball-Geschichte". Den vielleicht bittersten Moment hatte er damals schon hinter sich: Im letzten Testspiel vor der WM 2014 riss dem zu dieser Zeit auch im DFB-Team gesetzten Reus das Syndesmoseband. Deutschland wurde ohne ihn Weltmeister.
Dafür aber mit Kroos, der nach der Endrunde in Brasilien als frischgebackener Weltmeister vom FC Bayern zu Real Madrid wechselte. Bei den "Königlichen" schwang die Nummer acht zehn Jahre lang das Zepter im Mittelfeld. Ohne nennenswerte Leistungsschwankungen oder Verletzungspausen, dafür mit metronomischem Taktgefühl und chirurgischer Passgenauigkeit, zog er das von Toren, Tricks und teuren Stars chronisch überzuckerte Madrilenen-Publikum in seinen Bann der genialen Einfachheit.
Immer mehr (vermeintliche) Schlüsselspieler des historischen Real-Teams, das von 2016 bis 2018 drei Mal in Folge die Champions League gewann, verließen die spanische Hauptstadt. Kroos blieb und mit ihm der Erfolg. Der unscheinbare Blondschopf "überlebte" schillernde Figuren wie Cristiano Ronaldo oder Sergio Ramos, die sich mit der Club-Führung überwarfen, im Streit oder gegen ihren Willen weiterzogen. Kroos tritt nun selbstbestimmt, maximal respektiert und auf der Höhe seines Schaffens ab. Mit 33 oder 34 Titeln, als fünf- oder sechsfacher Champions-League-Sieger und mit einer Heim-EM in der Hinterhand.
Elf Jahre, sechs Tage und zwei astronomische Karrieren nach jenem 2:1 in Wembley treffen sie sich erneut. Wieder im Finale um den Henkelpott - diesmal, um ihre Ausnahme-Laufbahnen im jeweils letzten Spiel für ihren langjährigen Verein zu krönen. Zwei Kreise schließen sich - wer jubelt diesmal?
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Die erste CL-Krone für Reus als Vollendung des "Unvollendeten" in Dortmund? Oder die sechste für Kroos, der - zusammen mit den Teamkollegen Modrić, Carvajal und Nacho - mit Rekordtitelträger Paco Gento gleichziehen könnte? Schicksal, Spielglück und der Fußballgott antworten am Samstagabend...