Bundesliga
So schlecht lief eine Saison noch nie: Der VfL Bochum hat die schwächste Zwischenbilanz aller Vereine jemals. Doch mit Dieter Hecking startet ein erfahrener Trainer in die unmöglich scheinende Mission Klassenerhalt.
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Der VfL Bochum 1848 hat nur einen Punkt nach neun Spieltagen - schlechter ist noch nie ein Team in die Saison gestartet. Die wenigen Clubs, die ebenfalls nur einen Zähler sammeln konnten (Saarbrücken 1963 und Fürth 2021), starteten mit einer besseren Tordifferenz im ersten Saisonviertel (Bochum bei -20). Der VfL ist also das Team mit der schlechtesten Zwischenbilanz jemals.
Bochums Hoffnungsträger heißt Dieter Hecking - und erkennt natürlich die Situation: "Angesichts des Torverhältnisses stehen wir aktuell quasi bei null Punkten. Ist doch klar, dass das eine schwere Aufgabe ist." Doch der 60-Jährige kennt sich aus mit Rettungsmissionen. "Ich liebe Herausforderungen, das ist mit Sicherheit eine mit Sternchen."
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Schon viermal hat Hecking einen Erstligisten während der laufenden Saison übernommen - und noch nie ist er dabei abgestiegen. Hannover 96 2006/07 und den 1. FC Nürnberg 2009/10 übernahm er auf einem Abstiegsplatz und führte sie zum Klassenerhalt. Auch beim VfL Wolfsburg 2013/14 und bei Borussia Mönchengladbach 2016/17 überzeugte er nach vermasseltem Saisonstart so sehr, dass er über die Spielzeit hinaus Trainer blieb.
Hecking ist ein echter Feuerwehrmann. Nach diesem hat VfL-Boss Ilia Kaenzig gesucht: "Wir haben uns intensiv mit der Trainerfrage befasst. Was hilft in dieser Situation, die sehr ernst ist. Da hilft nur Stabilität. Wir brauchen Erfahrung, einen Trainer, der weiß, was jetzt zu tun ist. Wir sind sehr glücklich, ihn mit Dieter Hecking gefunden zu haben."
Dabei brennt es in Bochum vor allem defensiv momentan lichterloh. 29 Gegentore kassierte der VfL in der noch kurzen Saison, davon setzte es zwölf Treffer alleine nach der Entlassung von Peter Zeidler - fünf gegen die Bayern und deren sieben gab es von Frankfurt.
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Defensive Stabilität sollte für Hecking die höchste Priorität haben, denn noch kein Team, das nach neun Spieltagen so viele Gegentore kassiert hatte, konnte bisher die Klasse halten. Denn selbst schmutzige, knappe Siege werden ungemein schwerer, wenn das Team nicht zu Null spielt - und die letzte Weiße Weste in Bochum ist lange her. Seit saisonübergreifend 25 Bundesliga-Spielen blieb der VfL nicht mehr ohne Gegentor, das ist eingestellt negativer Vereinsrekord.
Ein Hoffnungsschimmer zudem: Die offensive Chancenkreation funktionierte nicht schlecht. 12,0 erspielte Expected Goals sind nicht ansatzweise Abstiegsplatz-Niveau. Gleich fünf Teams hatten in dieser Saison eine schlechtere Erarbeitung von Tormöglichkeiten. Lediglich Abschlusstraining sollte bei Hecking auf dem Programm stehen: Die Bochumer Abschluss-Effizienz von -3,02 ist die zweitschlechteste der Bundesliga.
Ein Ziel, das es auf jeden Fall unter Hecking zu knacken gilt: Die Abwendung weiterer Negativrekorde, wie etwa diversen "Bestmarken" von Tasmania Berlin. Immerhin drei Punkte (vier nach neuer Drei-Punkte-Regel, ein Sieg und ein Remis) hatte der Hauptstadtclub in der historisch schlechten Saison 1965/66 nach neun Spieltagen schon auf dem Konto, beendete die Spielzeit allerdings nur mit historisch-schlechten acht Punkten (zehn nach Drei-Punkte-Regel). Die Marke ist also klar: Mehr als zehn Zähler müssen es werden!
Auch in Sachen Gegentore ist der VfL auf einem schlechten Kurs. Auf 34 Spieltage hochrechnet käme Bochum nämlich auf 110 Treffer in den eigenen Kasten - Tasmania stellt den bisherigen Negativrekord mit 108 Gegentoren in ebenfalls 34 Spielen. Nur zwei Saisonsiege, 28 Saisonniederlagen, eine 0:9-Heimklatsche - alles Negativwerde, die Bochum auf keinen Fall für sich beanspruchen möchte.
Auf einem guten Weg ist der VfL allerdings schon: Aus den guten Chancen erzielte Bochum neun Tore, Tasmania kam in der ganzen Spielzeit nur auf 15 (ebenfalls Negativrekord). Das Potenzial für Siege ist durch eigene Treffer also zumindest gegeben. Und vielleicht klappt ja noch mehr...
Denn dass ein verkorkster Saisonstart noch nicht das Aus bedeutet, kann der VfL Bochum selbst aus den letzten Jahren mehr als gut erzählen. Auch in der Vorsaison 2023/24 gab es keinen Sieg in den ersten neun Spielen (jedoch fünf Remis), ein Jahr früher gab es den ersten Erfolg immerhin in diesem neunten Spiel, zuvor war es auch nur ein Punkt aus acht Spielen. Das Ende ist bekannt: Beide Saisons gelang der dramatische Klassenerhalt.
Gelingen soll der Turnaround vor allem über das Team: "Den VfL hat schon immer der Zusammenerhalt ausgezeichnet. Das weiß ich aus Erfahrung. Wir müssen wieder eine Einheit werden, dafür ist vor allem die Mannschaft selbst verantwortlich." Wie schon in der Relegation der Vorsaison, als Bochum ein 0:3 drehte. "Da hätte auch niemand fünf Euro auf den VfL gesetzt."
Auch wenn die aktuelle Spielzeit nochmal schlechter läuft, gibt es Teams aus der Vergangenheit, die ähnlich große Aufgaben bewältigen konnten. Vor gerade einmal vier Jahren lag der 1. FSV Mainz 05 mit nur noch 15 offenen Spielen ebenfalls sieben Zähler hinter dem Relegationsplatz. Bo Svensson gelang beim FSV die Trendwende und der Klassenerhalt. 1999/2000 waren es, einen späteren Zwei-Punkte-Abzug eingerechnet, für Eintracht Frankfurt nach 18 Spieltagen sogar zehn Zähler, die es aufzuholen galt.
Aktuell liegen noch 25 Spiele bevor - es gibt also 75 Punkte zu holen. Über die Hälfte müsste Bochum zwar zur magischen 40-Punkte-Marke erzielen, doch die Realität sieht anders aus: Die Nichtabstiegsmarke lag die letzten Jahre bei 32 Punkten. Wer die schaffte, wäre zuletzt 2016/17 abgestiegen. Es reicht also also ein Punkteschnitt von 1,3 Zählern für die übrigen 25 Spiele. Gute Nachrichten für VfL-Fans: Der Schnitt von Dieter Hecking in der Bundesliga steht aktuell bei 1,44 Punkten pro Spiel. Der Klassenerhalt ist also definitiv möglich.