An dieser Stelle gibt's alle Infos zu den wohl bekanntesten Schiedsrichtern der letzten Jahre und Jahrzehnte. Darunter befinden sich ehemalige Referees der Bundesliga sowie große Legenden unter den Schiedsrichtern.
Der Schiedsrichter gilt mitunter als wichtigster Mann auf dem Fußballplatz. Er entscheidet über Abseits, Elfmeter und Freistoß und sorgt konsequent für die Einhaltung der Fußballregeln. Dabei sind seine Entscheidungen unter den Fans des Öfteren umstritten und sorgen für lautstarke Kritik, Pfiffe oder Buh-Rufe in den Stadien. Eines steht jedoch fest: So mancher ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter wurde während seiner Laufbahn zur Legende, weil er (oder sie) den Fußball in Deutschland und weltweit geprägt hat. Dieser Beitrag stellt außergewöhnliche Schiedsrichter der Bundesliga vor. Neben den nationalen Größen unter den ehemaligen deutschen Schiedsrichtern lernst du aber auch einige internationale Stars kennen, die in keiner vollständigen Liste des Schiedsrichterwesens fehlen dürfen.
Herbert Fandel: der strengste ehemalige Schiedsrichter der Bundesliga
Sage und schreibe 1.041 Gelbe Karten verteilte der 1964 in Bitburg geborene Fandel während seiner aktiven Bundesliga-Zeit. Zu seinem "zeigefreudigen" Rekord kommen außerdem ganze 47 Gelb-Rote und 26 Rote Karten hinzu. Spieler, die den ehemaligen Bundesliga-Schiedsrichter in dessen aktiver Zeit in der Schiedsrichteransetzung für ihre Partie entdeckten, wussten wohl, dass sie ein allzu robustes Tackling an diesem Tag besser sein ließen.
Ab 1993 pfiff Fandel mehr als 50 Partien in der 2. Bundesliga und ab 1996 insgesamt 247 Spiele in der 1. Bundesliga. Auch international leitete er zahlreiche Spiele. Während des EM-Qualifikationsspiels zwischen Dänemark und Schweden 2007 wurde Fandel von einem dänischen Fan angegriffen und am Hals getroffen, nachdem er in der 89. Minute dem Dänen Christian Poulsen die Rote Karte gezeigt hatte.
Im Juni 2009 beendete Fandel seine Karriere als Schiedsrichter und war bis 2018 als Vorsitzender der DFB-Schiedsrichter-Kommission sowie bis 2019 als Mitglied der UEFA-Schiedsrichter-Kommission tätig. Im September 2022 wurde Fandel vom belgischen Fußballverband zum Vorsitzenden der belgischen Schiedsrichterkommission ernannt.
Vier rote Karten in einem Spiel zückte Schiedsrichter-Legende Horst Herden im April 1966 in der Bundesliga-Partie des 1. FC Kaiserslautern gegen den FC Bayern München. Das ist bis heute Rekord für Feldverweise in einer einzigen Partie (Gelb-Rote Karten nicht eingerechnet). Betroffen waren die drei "Roten Teufel" Uwe Klimaschefski, Jürgen Neumann und Wilhelm Wrenger. Bei den Bayern traf es Dieter Koulmann. Nach dem 2:1-Sieg der Münchner musste Herden den tobenden Betzenberg unter Polizeischutz verlassen.
Bereits Anfang der 1950er Jahre gehörte Herden zu den besten deutschen Schiedsrichtern. Nach einem zwischenzeitlichen Engagement in Brasilien leitete er zwischen den Jahren 1965 und 1972 insgesamt 68 Bundesliga-Partien. Sein letztes Spiel war zugleich das Abschiedsspiel von Fußball-Legende Uwe Seeler im Hamburger Volksparkstadion am 1. Mai 1972. Nach Abpfiff zeigte Herden Seeler noch einmal die Rote Karte – nur symbolisch und begleitet von einer herzlichen Umarmung der beiden Ikonen.
Markus Merk gilt als eine der Galionsfiguren des deutschen Schiedsrichterwesens. Er kann zahlreiche Prämierungen vorweisen, unter anderem die dreimalige Auszeichnung als "Weltschiedsrichter des Jahres". Der promovierte Zahnmediziner betrieb bis ins Jahr 2005 eine Zahnarztpraxis in Kaiserslautern und veranstaltet inzwischen Motivationsseminare in Deutschland. 1988 leitete er seine erste Partie in der 1. Bundesliga zwischen Bochum und Leverkusen.
Insgesamt 338 Spiele pfiff der 1962 in Kaiserslautern geborene Merk. Dabei hält der ehemalige deutsche Schiedsrichter bis heute zwei Rekorde: Kein anderer Bundesliga-Schiedsrichter vergab mehr Rote Karten (45 an der Zahl) und entschied auf mehr Elfmeter (104). Seine aktive Laufbahn endete 2008 nach ganzen 20 Jahren auf dem Platz. Von dem außergewöhnlichen Respekt, den er unter den Spielern mehrerer Generationen genoss, zeugt auch der Trikottausch zwischen ihm und Oliver Kahn bei Merks letztem Einsatz als Bundesliga-Unparteiischer: Der Torhüter des FC Bayern München bestritt in jener Partie gegen Hertha BSC ebenfalls sein Abschiedsspiel und behielt sein letztes Leibchen der Schiedsrichter-Legende vor.
Durch seinen Anpfiff machte der Rheinländer Alfred Ott die Partie zwischen Werder Bremen und Borussia Dortmund am 24. August 1963 (Endstand: 3:2) zum allerersten Spiel der modernen Bundesliga – übrigens um 16:58 Uhr statt wie geplant um 17:00 Uhr.
Ott leitete zwischen 1960 und 1970 insgesamt 80 Bundesliga-Begegnungen sowie jeweils sechs Spiele um die deutsche Fußballmeisterschaft und im DFB-Pokal. Ende der 1960er Jahre war er zudem als FIFA-Schiedsrichter im Einsatz. Hauptberuflich war Alfred Ott, der im Jahr 2020 im rheinland-pfälzischen Neuwied verstarb, Sachbearbeiter bei einer Krankenkasse.
Wolfgang Stark: die meisten Bundesliga-Spiele als Schiedsrichter
Bis heute pfiff kein Schiedsrichter mehr Bundesliga-Partien als Wolfgang Stark. 344 Mal schritt der gebürtige Landshuter zwischen 1997 und 2017 als Unparteiischer auf den Platz. Anschließend wurde der gelernte Bankkaufmann in der 3. Liga als Coach aktiv, zwischenzeitlich fungierte der ehemalige Schiedsrichter in der Bundesliga als Video-Assistent.
Nach zwei umstrittenen Entscheidungen am 1. Spieltag der Bundesliga-Saison 2018/19 im Spiel des VfL Wolfsburg gegen Schalke 04 enthob ihn der DFB jedoch von dieser Funktion. Als FIFA-Schiedsrichter leitete Stark zwischen 1999 und 2014 insgesamt 42 A-Länderspiele und 84 Europapokalspiele.
Kurt Tschenscher: die Premiere der Gelben Karte
Kurt Tschenscher galt in den 1960er Jahren als einer der besten Schiedsrichter der Welt. Der im Jahr 1928 in Oberschlesien geborene und im Jahr 2014 in Schwetzingen verstorbene Referee leitete insgesamt 53 Länderspiele, zwei Europapokal-Endspiele, 126 Bundesligaspiele, ein DFB-Pokal-Finale und das letzte Finale einer deutschen Meisterschaft vor Einführung der modernen Bundesliga.
Tschenscher vergab während der WM 1970 die erste Gelbe Karte der Fußballgeschichte an den Georgier Kachi Assatiani während der Partie des Gastgebers Mexiko gegen die UdSSR (Endstand 0:0). Als erster Unparteiischer der Geschichte wurde er von der FIFA für gleich drei Fußball-Weltmeisterschaften nominiert (WM 1966 in England, WM 1970 in Mexiko und WM 1974 in Deutschland). Im Jahr 1975 erhielt der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter das Bundesverdienstkreuz am Bande und die Ehrennadel in Gold des DFB.
Bibiana Steinhaus-Webb war nicht nur die erste Frau, die im deutschen Männer-Profifußball Spiele pfiff, sondern leitete zudem das Finale einer Frauen-Weltmeisterschaft sowie Spiele des olympischen Fußballturniers der Frauen. Sie wurde im Jahr 1979 in Bad Lauterberg im Harz geboren und arbeitete zunächst als Hauptkommissarin bei der Polizei Niedersachsen. Nach ihrer aktiven Fußballkarriere beim SV Bad Lauterberg trat sie in die Fußstapfen ihres Vaters, der ebenfalls als Schiedsrichter tätig war.
In der Saison 2007/08 pfiff Steinhaus-Webb als erste Frau ein Spiel in der 2. Fußball-Bundesliga der Männer. Im August 2008 folgte ein DFB-Pokalspiel der Männer. In der Bundesliga-Saison 2017/18 war sie schließlich die erste und einzige Frau unter 24 Schiedsrichtern in der 1. Bundesliga.
Im Jahr 2020 beendete sie ihre aktive Karriere als Profi-Schiedsrichterin. Steinhaus-Webb wurde bereits viermal zur "Welt-Schiedsrichterin des Jahres" sowie siebenmal zur „DFB-Schiedsrichterin des Jahres“ gekürt. Der Vorsitzende der DBF-Schiedsrichterkommission, Herbert Fandel, bezeichnete Steinhaus-Webb wiederholt als "beste Schiedsrichterin der Welt". Sie ist mit einer weiteren Schiedsrichter-Legende, dem Briten Howard Webb, verheiratet.
Pierluigi Collina: "Glatze Gnadenlos", bester Schiedsrichter aller Zeiten
Collina gilt bis heute als bekanntester Schiedsrichter der Welt, was zum einen an seinem außergewöhnlich souveränen Auftreten auf dem Spielfeld, zum anderen aber auch an seinem markanten Aussehen liegen dürfte. Aufgrund einer Autoimmunerkrankung hat er seine komplette Körperbehaarung verloren. Dies beeinträchtigte die Ruhe und Selbstsicherheit des Referees mit dem stechenden Blick jedoch nie: Fans, Spieler sowie Experten (und auch Statistiker) sehen in dem 1960 in Bologna geborenen Collina bis heute den besten Schiedsrichter aller Zeiten.
Über seine Erfahrungen als Schiedsrichter schrieb Collina das Buch "Meine Regeln des Spiels", das mittlerweile in neun Sprachen vorliegt. Ein durchaus treffender Titel, denn Collina war mitunter für seine recht eigenwilligen Regelauslegungen bekannt. So war er der erste Schiedsrichter, der einem Ersatzspieler aufgrund einer Schiedsrichterbeleidigung die Rote Karte zeigte. Bei der Europameisterschaft 2004 hatte Collina seinen letzten großen internationalen Einsatz. Seit 2010 ist er Chef der UEFA-Schiedsrichter-Kommission und seit 2017 Chef der FIFA-Schiedsrichter-Kommission.
Sándor Puhl prägte durch seine Leistungen als Schiedsrichter eine Ära: In den 1990er Jahren wurde der gebürtige Ungar gleich viermal in Folge zum "Welt-Schiedsrichter des Jahres" gekürt. Ihm fiel demgemäß oft die Leitung großer internationaler Partien zu: 1994 leitete er das WM-Endspiel zwischen Brasilien und Italien in den USA (Endstand 3:2 nach Elfmeterschießen). Auch das unter deutschen Fans legendäre, weil von enormer Spannung geprägte Halbfinale der Fußball-EM 1996 zwischen England und Deutschland leitete er. Zudem pfiff er das Finale der europäischen Champions League im Jahr 1997 zwischen Borussia Dortmund und Juventus Turin, bekanntermaßen der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte des BVB.
Nach seinem Karriereende als aktiver Schiedsrichter war Puhl Mitglied der FIFA-Schiedsrichterkommission. Im Jahr 2021 verstarb der weltweit hochgeschätzte Schiedsrichter im Alter von 65 Jahren in seiner ungarischen Heimat.
Michel Vautrot: zehnfacher französischer „Schiedsrichter des Jahres“
Der 1945 geborene Michel Vautrot hat national und international fast alles erreicht, was man als Schiedsrichter erreichen kann. Bereits im Alter von 14 Jahren stand er als Schiedsrichter auf dem Platz. Elf Jahre später, im Jahr 1971, leitete er seine erste Partie in der damals noch Première Division genannten 1. Fußballliga Frankreichs. Im französischen Pokalwettbewerb pfiff er ganze fünf Endspiele – ein bis heute ungeschlagener Rekord. International war Vautrot für fünf Spiele bei zwei Fußball-Weltmeisterschaften (1982 und 1990) und mehrere Spiele bei den Fußball-Europameisterschaften 1984 und 1988 verantwortlich.
Vautrot wurde zweimal zum "Welt-Schiedsrichter des Jahres" und unglaubliche zehnmal zum französischen „Schiedsrichter des Jahres“ gewählt. Nach seinem Karriereende im Jahr 1991 arbeitete er in unterschiedlichen Funktionen beim nationalen Fußballverband Frankreichs FFF sowie bei der UEFA und FIFA.
Der Ungar Viktor Kassai, Jahrgang 1975, ist seit dem Jahr 2003 FIFA-Schiedsrichter. Sein erstes Länderspiel der Slowakei gegen Luxemburg – gleich eine Qualifikation für die Fußball-WM 2006 - pfiff er im Alter von 29 Jahren im Jahr 2004. Kassai trat sogar als Schiedsrichter bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking an, unter anderem im Finalspiel.
Ob dort oder bei der Fußball-WM 2010 in Südafrika oder vielen anderen Spielen – Viktor Kassai überzeugte mit seinem souveränen Auftreten und seinen guten Leistungen und wurde zum weltbesten Schiedsrichter des Jahres 2011 gewählt. Das Finale der UEFA Champions League 2010/11 zwischen dem FC Barcelona und Manchester United war ein weiteres Highlight seiner Karriere, wie auch die Fußball-Europameisterschaften 2012 und 2016. Im Jahr 2016 brachte Viktor Kassai als erster Schiedsrichter in einem offiziellen FIFA-Spiel den Video-Beweis an.
Hauptberuflich ist Kassai als Reiseverkehrskaufmann tätig.
Howard Webb: „Welt-Schiedsrichter“ 2010 und 2013
Der Brite Howard Webb, geboren 1971, war ursprünglich Polizist. Schon im Jahr 2003 pfiff er in der Premier League, der höchsten der englischen Spielklassen. Zum FIFA-Schiedsrichter stieg er 2005 auf, sein erstes Länderspiel war eine freundschaftliche Begegnung zwischen Portugal und Nordirland. Es folgten die UEFA Champions League und schließlich die Fußball-EM 2008. In der letzten Minute der Partie Österreich gegen Polen ordnete Webb einen Elfmeter an, der im Ausgleich Österreichs resultierte. Die polnischen Fans reagierten mit höchster Empörung, die bis zu Morddrohungen reichte – daraufhin wurden die Sicherheitsvorkehrungen für die Schiedsrichter bei dem Turnier verstärkt.
Beim äußerst hart gespielten WM-Finale 2010 zwischen den Niederlanden und Spanien brach Howard Webb den Verwarnungsrekord und verhängte 13 Gelbe Karten. Wenige Monate nach dem WM-Spiel wurde er zum "Welt-Schiedsrichter" des Jahres 2010 gewählt. Für seine Verdienste um den Fußball bekam er 2011 auf Betreiben des damaligen britischen Premierministers David Cameron die Auszeichnung MBE (Member of the Order oft he British Empire). Auch bei der Fußball-WM 2012 war Webb als Schiedsrichter vertreten. Im Jahr 2013 wurde er erneut zum „Welt-Schiedsrichter“ gekürt. Er beendete seine Karriere als einer der renommiertesten Unparteiischen weltweit nach 25 Jahren im Anschluss an die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien.
Im Jahr 2021 heiratete er die deutsche Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus.
Seit dem Jahr 1987 wählen ausgewählte Fachredaktionen und Experten aus 70 Ländern den "Welt-Schiedsrichter" ("The World‘s Best Referee"). Verantwortlich für die Auszeichnung ist die
International Federation of Football History & Statistics mit Sitz in Zürich, eine internationale Vereinigung von Fußballstatistikern.
Pierluigi Collina erhielt die Auszeichnung zwischen 1998 und 2003 sechsmal in Folge, was ihn bis heute zum erfolgreichsten „Welt-Schiedsrichter“ aller Zeiten macht. Zu den ausgezeichneten deutschen Schiedsrichtern gehören Dr. Markus Merk (drei Auszeichnungen) und Felix Brych (zwei Auszeichnungen). Seit dem Jahr 2012 wird auch die „Welt-Schiedsrichterin“ von dem Fachgremium gekürt. Der Deutsche Fußball-Bund vergibt eine ähnliche Ehrung, nämlich den "DFB-Schiedsrichter des Jahres".
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